Der Gesang der Lachmöwe

Anita Rachvelishvili auf Streifzug durchs italienische, russische und französische Fach

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Die Szene ist bizarr. Eine Braut, blumenbekränzt, eigentlich sollte sie sich freuen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Sie leidet. Weil es der Falsche ist, den sie ehelicht – ehelichen muss. Zwar ein Zar. Aber viel zu alt für sie. Außerdem gehört ihr Herz einem anderen, jüngeren, attraktiveren. Doch diesem Manne musste sie entsagen, auf höheren Wunsch. Und so sprüht die Arme ihren Kummer in die Leere um sich. Nahezu unbegleitet. Nur zwischen erster und zweiter Strophe legt das Orchester zarte Klänge auf den Traurigkeitsteppich.


Ljubaschas Lied zählt zu den bewegendsten Passagen in Rimsky-Korsakows «Zarenbraut». Vor allem so, wie Anita Rachvelishvili es singt: schlicht-schön, fließend, ohne Larmoyanz und Pathos, mit tiefblauem Timbre. Wie ein Selbstgespräch, das zwar an die Mutter gerichtet ist, diese aber nur in der Ferne wahrnimmt. Und damit im Grunde jenen Faden aufnimmt, den Santuzza in Mascagnis «Cavalleria rusticana» gesponnen hat; auch dort wendet sich, wenngleich in Form einer Arie, die unglücklich-verlassene Frau an die Mama und formuliert die weitgeschwungene Klage in schmerzlich-schauriger Gestalt.

Entschieden liegen hier die Qualitäten der Aufnahme, die Stücke aus dem ...

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Opernwelt April 2018
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 30
von Jürgen Otten

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