Der feine Unterschied
Herr Dusapin, von Nikolai Rimski-Korsakow ist die schöne Sentenz überliefert, Kunst sei «im Grunde die bezauberndste und hinreißendste Lüge». D’accord?
Die Kunst eine Lüge? Eine interessante Ansicht. Für mich ist Kunst, insbesondere Musik, die überwiegende Zeit dazu da, etwas zu verbergen.
Aber was?
Sich selbst, in meinem Fall also den Komponisten.
Wobei es für mich persönlich als passioniertem Leser eigentlich der naheliegendste Weg wäre, mein ganzes Leben – meine Traurigkeit, meine Melancholie, meine Kindheitserinnerungen, meine Liebe zu Frauen – durch Literatur zu erklären. Doch mit meiner Musik kann ich dasselbe erzählen, und niemand wird genau verstehen, was genau ich damit erzähle: ein enormer Vorteil. Auf einem Blatt Papier können Sie mit Noten unzählige persönliche Dinge, Affekte, Emotionen, Gefühle notieren, ohne dass sie gleich decodiert würden.
Aber steckt dahinter nicht die Idee, Ihre Persönlichkeit durch Ihre Musik womöglich zu «entlarven»?
Nein. Denn natürlich ist meine Musik einerseits Ausdruck meiner Persönlichkeit. Und doch verbergen sich darin viele Geheimnisse. Mein musikalischer «Vater» Iannis Xenakis erklärte alles mit Hilfe von hochgradig komplexen ...
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Opernwelt Mai 2023
Rubrik: Interview, Seite 63
von Jürgen Otten
Allein die fehlerhafte Übersetzung zeigt, wie fern uns die Figur ist. Gottesnarr, Jurodstwo, damit ist eigentlich der «Narr in Christo» gemeint, eine irdische Figur – mit mutmaßlich heißem Draht nach oben. Heiliger, verehrter und gefürchteter Außenseiter, Wahrheitskünder, verspotteter Gaukler – alles fällt in dieser Figur zusammen, bei Puschkin, auch bei...
Ein Herz pocht. Sanft, kaum hörbar, in wiegenden Triolen. Es könnte das Herz der Natur sein, aber auch das jener Nymphe, die hier, abseits der Menschenwelt, ein Dasein fristet, welches ihr Glücksmomente nur noch selten beschert; der elegisch-wehmütige Streichergesang in der Ouvertüre von Dvořáks «Rusalka» erzählt geradezu rührend davon. Doch würde die schöne...
Der Staatsoper Berlin kann man regieseitig in Sachen Mozart für das vergangene Jahrzehnt nicht gerade ein brillantes Zeugnis ausstellen. Angefangen von einer der schwächsten Arbeiten des späten Hans Neuenfels («La finta giardiniera», 2012) – damals noch in der Ausweichspielstätte Schiller-Theater – zog sich das optische, bewegungsmäßige und konzeptuelle Unglück...