Der Anti-Utopist
Erinnern wir uns: Es ist kurz nach zehn am Abend, und noch einmal tönt da an diesem trüben Februartag 2018 des Hirten todestraurig klagende Weise, da raunt der getreue Kurwenal seinem der Welt eigentlich schon längst abhanden gekommenen Tristan zu: «Noch ist kein Schiff zu seh’n!» Wird die ihren Geliebten erlösende Isolde je zurückkehren? Wenn ja, dann sicherlich nicht per Segelboot oder einem anderen, zeitgeistig schnittigeren Meeresfahrzeug.
Schließlich versetzt Dmitri Tcherniakov den dritten Aufzug von Richard Wagners «Tristan und Isolde» seinerzeit an der Staatsoper Berlin in ein gutbürgerliches Schlafzimmer des 19. Jahrhunderts, wie es der Fantasie eines Dostojewski oder Tolstoi entsprungen sein könnte. Während wir dem moribunden Tristan dabei zuschauen, wähnen wir uns also im ländlich langweiligen Ambiente eines russischen Romans, der in etwa zur Zeit der Entstehung von Wagners durchweg handlungsarmer «Handlung» spielen könnte. Kein Wunder, Tcherniakov, hier wie so oft als Regisseur und Bühnenbildner in Personal -union tätig, wurde 1970 in Moskau geboren.
Wer zufällig nur den Finalakt von Richard Wagners sehnsüchtig schmachtendem, weil chromatisch maximal gespanntem ...
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Opernwelt Jahrbuch 2023
Rubrik: Regisseur des Jahres, Seite 26
von Peter Krause
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