Blinde Flecken
Was ist Musik? Tönend bewegte Form, wie Eduard Hanslick postulierte, der einflussreichste Musikpublizist des späten 19.
Jahrhunderts? Ausdruckskunst, die alle Sinne überwältigt, wie Richard Wagner sie in seinen mythenschweren Longplay-Dramen konzipierte? Klingender Einspruch gegen den Lärm der global verschalteten Welt? Reine Gefühlssache? Ungreifbare Geistesnahrung? Oder eher akustisches Accessoire für die Verschönerung des herben Alltags, im Kaufhaus wie im Kulturtempel?
Für Berno Odo Polzer ist Musik vor allem Gesprächsanlass, Diskursfeld, ein Sprungbrett, um sich über die großen Themen unserer Zeit zu verständigen: Geschichte und Gegenwart, Geschlecht und Macht, Rassismus und Kolonialismus, Hören und Sehen in der digitalen Datengesellschaft usw. «Thinking Together» heißt das Kernforum, um das Polzers Programm rotiert, seit er im Herbst 2014 als Chefkurator die Leitung des Berliner Festivals MaerzMusik übernahm. Gleich 14 vierstündige Workshops hatte er diesmal unter der alljährlich verkündeten Leitdevise im Foyer des Festspielhauses angesetzt: fürs Brainstorming über blinde Flecken eurozentrischer Geschichtsschreibung sowie für kollektive Lese- und Hörübungen.
Und in der ...
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Opernwelt Mai 2019
Rubrik: Magazin, Seite 70
von Albrecht Thiemann
Normalerweise siegt im Märchen das Gute über das Böse, und der Held bekommt die Prinzessin. In «Der Schatten» von Hans Christian Andersen ist es umgekehrt – und genau das hat den schwedischen Komponisten Hans Gefors zu der Kammeroper «Schattenspiele» inspiriert, die das Theater Hof sinnfällig mit dem «Leuchtturm» von Peter Maxwell Davies kombiniert. In beiden...
«Ein Schiff wird kommen», sang weiland Lale Andersen in Sehnsucht nach dem einen, «den ich so lieb’ wie keinen». Einen solchen erträumt sich ja auch Senta in Wagners «Fliegendem Holländer»; in Aron Stiehls Inszenierung an der Wiener Volksoper kommt er allerdings ohne Schiff, dafür quasi als Wiedergänger von Caspar David Friedrichs Wanderer. Man sieht ihn bereits...
Gehen ohne zu verschwinden. In nächster Nähe sternenweit entfernt. Mit Händen zu greifen und doch unerreichbar. Sprachloser Schwebe ausgeliefert, gefangen zwischen Leben und Tod. So lange der Körper versorgt wird, das Blut pulsiert wie vorher. Vor dem alles entscheidenden Moment, als das Bewusstsein versank in tiefe Nacht. Und mit ihm die Fähigkeit, Kontakt zu...
