Alles fliesst
Auf dem Wasser spielt der Wind, unter der Oberfläche tanzen Sonnenstreifen. Doch dunkle Schlieren malen Marmormuster ins klare Grau: Blut? Was während des Vorspiels auf den Gazeschleier projiziert wird, passt zu dem, was im Graben vor sich geht – denn hier verblüfft Omer Meir Wellber, der junge israelische Chefdirigent des Palau de les Arts Reina Sofia in Valencia, mit einem Verdi-Klang, der mit der Präzision eines Skalpells unter die Haut geht. Nicht süffig, sondern karg und düster, getränkt von abgründiger Melancholie. Da bleibt kein Gramm Hoffnung für die beiden Foscari.
Die Rechte hält zurück, zieht voran und variiert die Gestalt des Schlags so gekonnt, dass alle Farben sichtbar werden – Wellber bräuchte die Linke gar nicht, setzt sie aber überaus sprechend ein, um hier eine Phrase der Flöten, dort eine der Violinen auszuformen. Große Musikalität. Und das Orquestra de la Comunitat Valencia folgt jedem Fingerzeig.
Dann lüftet sich der Schleier. Auf der Bühne stützt sich Kevin Knights Betonbunker schwer auf gebrechliche Balken. Regisseur Thaddeus Strassberger erzählt den unaufhaltsamen Untergang der Foscari so geradlinig, wie der Rat der greisen Zehn in sattem Kardinalsrot ...
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Opernwelt März 2013
Rubrik: Panorama, Seite 45
von Wiebke Roloff
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