Zurück zu den Anfängen
Ein Stubenmädchen sei mit einem Schreikrampf aus dem Raum gelaufen, nachdem es des Hausherrn ansichtig wurde, liest man. Unwillkürlich denkt man an Vorfälle jüngst in
einem New Yorker Hotel. Doch das Geschehnis, von dem ein humorvoller Chronist berichtet, ereignete sich in den 1920er Jahren in Glyndebournes legendärem «Organ Room» – während der Aufführung der Schusterstuben-Szene aus dem dritten Akt von Wagners «Meistersingern» (zu Klavier- und Orgelbegleitung).
Hausherr John Christie betätigte sich dabei als Sixtus Beckmesser und soll so überzeugend gewesen sein, dass das Mädchen wohl überreagierte. Vielleicht war’s auch ein krampfhafter Lachanfall.
Nun geht das Festival mit den «Meistersingern» sozusagen «back to the roots». Das Programmheft präsentiert dazu unter anderem ein Foto John Christies in bayerischen Lederhosen – und von solch Biederem hat David McVicars Inszenierung ein gerüttelt Maß. Wobei man befürchten muss, dass der Regisseur dies nicht wirklich ironisch meinte. Er hangelt sich brav am Büchel entlang; allein in der Verlegung des Geschehens ins Biedermeier – weil ab dieser Zeit der deutsche Nationalismus sich zu regen begann? – nimmt er sich Freiheiten. Vicki ...
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Opernwelt Juli 2011
Rubrik: Im Focus, Seite 16
von Gerhard Persché
Die Blumen sind schön. Und riesig. Einen ganzen Balkon könnte man mit ihnen schmücken. Oder die größte Vase der Welt. Doch hier, wo es darum geht, die Liebe und ihre Tauglichkeit fürs Leben zu erproben, dienen die langstieligen gelben und fliederfarbenen Schönheiten einzig und allein der Werbung zweier falscher Galane. Also wedeln die Herren Ferrando und Gugliemo,...
Das Werbeplakat zeigt in diesem Jahr ein Gedeck aus der Gefrierzone: roter Teller, Messer, Gabel, Becher, alles vereist. «Einsamkeit und Kälte, die Not und manchmal Unmöglichkeit, sich mitzuteilen» sind, so Intendant Luc Bondy, Grundströmungen der diesjährigen Wiener Festwochen. Dies manifestierte sich schon in der ersten Premiere, Christoph Marthalers...
Seit ihrer Geburt im frühen 17. Jahrhundert hat die Kunstform Oper die Geister Italiens gespalten. Jahrhundertelang hatte man sich für sie buchstäblich entschuldigen müssen – gegenüber dem intellektuellen Bildungsbürgertum, das es vorzog, sich für die Wiederbelebung des «echten» griechischen Dramas einzusetzen, ebenso wie gegenüber Vertretern von Kirche und Staat,...