Welt der Angst
Es gibt ein Genre des Musiktheaters, das lange als undramatisch und papieren galt. «Konversationsstück für Musik» hat es Richard Strauss treffend im Untertitel von «Capriccio» genannt, mit anderen Worten: Hier transportiert Musik nicht primär überwältigende Emotionen und grandiose Theatereffekte – sie dient vielmehr dem Diskurs.
Bei der Premiere von «Capriccio» im Jahr 1942 wirkten diese Konversationen über die Vorherrschaft von Wort und Musik noch ostentativ weltfremd, während 15 Jahre später Francis Poulencs «Dialogues des Carmélites» bei ihrer Uraufführung an der Scala die zentralen Fragen der menschlichen Existenz angingen: Wer sind wir, was ist uns heilig, wofür lohnt es sich, in den Tod zu gehen?
Poulenc war mutig genug, diese Fragen, die ihn selbst umtrieben, in Form von intimen, dringlichen Gesprächen («dialogues») zu diskutieren – eine Qualität, die das Stück, neben der ansprechenden Musik, mittlerweile zum Renner an allen Opernhäusern gemacht hat. Dabei ist der historisch belegte Handlungsrahmen spektakulär genug. Poulenc stützt sich auf Gertrud von Le Forts Novelle «Die Letzte am Schafott» und ihre Bearbeitung durch den Dramatiker Georges Bernanos: Allenthalben fegt die ...
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Opernwelt März 2018
Rubrik: Panorama, Seite 42
von Michael Struck-Schloen
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