Vom Reiz der Intimität

Patrice Chéreau über seinen Bayreuther «Ring», die Arbeit mit Sängern und das Verhältnis von Oper und Film

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Von den Protesten, die der Bayreuther «Ring»-Produktion 1976 entgegenschlugen, können sich viele, die nicht dabei waren, heute kaum noch eine Vorstellung machen. Dass grimmig blickende Menschen mit Transparenten um das Festspielhaus liefen, auf denen, groß und ernst gemeint, ein Alberich-Zitat stand, war dabei noch das Geringste: «Verflucht sei dieser ‹Ring›». Schon während der Generalproben setzte etwas ein, was man den Tschernobyl-­Effekt nennen könnte: Gerüchte häuften sich, es sei so etwas eingetreten wie der schlimmste anzunehmende Unfall.

Worin dieser Unfall bestand, wurde nur diffus kommuniziert, da in den Generalproben bekanntlich vor allem Familien der Mitwirkenden und Bayreuther Bürger sitzen, also kaum Leute, die gewohnt sind, Aufführungen zu analysieren. Man munkelte eher von Protesten des Orches­ters gegen den Dirigenten, der Bühnentechniker gegen den Regisseur. Die Rheintöchter als Huren, Wotan als Industrieboss, Gunther im Smoking, das war das, was jeder erkannte, und es wurde als Provoka­tion beschimpft. Alternative Wagner-Schutz-­Vereine befürchteten akute Gefahren für die ­Besucher der Aufführungen, warnten nicht nur mit Flugblättern und Broschüren, sondern ...

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Opernwelt September/Oktober 2005
Rubrik: Im Focus, Seite 12
von Stephan Mösch

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