Ver(gr)eiste Welt
Humperdincks «Königskinder» sind ein Kunstmärchen mit tragischem Ausgang und so gar nicht kindgerecht, doch im ersten Akt erzählt Andreas Homoki an der Bayerischen Staatsoper naiv und raffiniert ein «fairy tale»: Die Einheitsbühne zeigt einen von Kinderhand gezeichneten riesigen Wald, der Kopf steht. In der Mitte ein perlmuttweißer Schrank wie zu Großmutters Zeiten. Er ist multifunktionaler Ort. Die Hexe, eine herrlich empörte Gouvernante (Dagmar Pecková), haust dort, aber auch die Gänsemagd, die bei ihr lebt, wird hier eingesperrt – oder kann sich verstecken.
Wenn der Königssohn erscheint, flüchten sich Magd (Annette Dasch mit üppigem lyrischen Sopran im kleinen Grünen) und Prinz (ein Kindskopf in Latzhose und sein männliches Timbre geschickt für einen Jüngling nutzend: Robert Gambill) zum ersten Kuss auf das Möbel.
Später, im zweiten Akt – und da darf man nicht nach Logik fragen – zieht die Gänsemagd als vermeintliche Königin nicht durchs Stadttor ein, sondern purzelt wieder aus dem Schrank. Auch der Wald ist derselbe wie im ersten Akt. Die Choristen und Statisten der Stadt jedoch sind Karikaturen ihrer selbst und in die grellsten Kostüme gesteckt, farblich in allen Valeurs ...
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