Trotzköpfchens Rehabilitierung
«Eigentlich war ich», sagt Christa Ludwig, «ein Antityp der Carmen. Einmal, Anfang der 1960er Jahre, sprang ich an der Wiener Staatsoper für Jean Madeira ein, eine Carmen wie gemalt. Ich war dagegen ein Fiasko –‚ ‹Trotzköpfchens Zigeunerhochzeit›, schrieb der Kritiker Karl Löbl, und er hatte Recht.» Wer so erfolgreich war und so unumstritten ist wie die Ludwig, kann auf das Tüllkostüm der Eitelkeit mit leichter Geste verzichten.
Nun, anhand des Live-Mitschnitts der Neuinszenierung von 1966 aus Wien, lässt sich unschwer feststellen, dass dieses Trotzköpfchen eine Carmen von großer Eigenart und im Vergleich zu vielen später auf CD oder DVD konservierten Vertreterinnen dieser Partie nachgerade ein erotisches Kraftwerk ist.
Zwar stilisierte Regisseur Otto Schenk die Zigeunerin der Ludwig zuliebe als «Frau von nebenan, die ihre Freiheit liebt», doch scheint sie für die Habanera und Seguidilla beinahe in die Haut einer Juliette Gréco zu schlüpfen, spielt zärtlich mit dem Text wie eine Chansonette, interpretiert andererseits die Kartenarie wie ein dunkles Schubert-Lied und wächst im Schlussduett zur Tragödin. Ihre Partner begegnen ihr vokal nicht auf Augenhöhe. James King, der vier Jahre ...
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