Süss wie die Liebe
Kann das denn sein? Iréne Theorin, sonst Berlins und Mailands Brünnhilde, singt die Isolde bei der Kinderoper auf Probebühne IV? Und das bei allen zehn Vorstellungen in zehn Tagen? Ja, sie ist’s, sie winkt – und nimmt diese Aufgabe nicht weniger ernst als die Isolde in Marthalers Inszenierung im Festspielhaus nebenan, die sie einige Jahre verkörperte. Nun freilich ist sie eine Rockerbraut mit knöchellangem Haar und hat, wie alle Darsteller an diesem Vormittag, das Kind in sich entdeckt.
Die großen Ausbrüche ihrer Partie sind alle dabei in der Fassung von Daniel Weber: die wutschnaubende Isolde des ersten Akts, die sich verliebt zum hohen C aufschwingende des zweiten und die liebestodesmutige des dritten. Weil Iréne Theorin das singt wie sonst auch, sind die Kinder eineinhalb pausenlose Stunden lang gebannt: So laut kann eine Stimme sein, so schön, so stark, so cool. Näher kann man das nicht erleben. Denn alle sitzen buchstäblich in einem Boot. Judith Philipp hat es bauen lassen, und es sieht aus, wie «Tristan und Isolde» früher aussah, als Cosima Wagner inszenierte oder der Meister persönlich.
Der Unterschied besteht darin, dass das Stück hier zur Nummernoper eingedampft ist, ...
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Opernwelt September/Oktober 2013
Rubrik: Im Focus, Seite 10
von Stephan Mösch
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