Stückwerk, ungezuckert
Ein ganzes Opernhaus zu schultern, das wäre dann wohl der nächste Schritt. Vielleicht, wenn der Kehlkopf nicht mehr richtig will. Oder der Startenor keine Lust auf das hat, was sich im Karriereherbst alles anbietet – Herodes, Aegisth, der Kaiser in «Turandot», irgendetwas in der Art. «Ein kleines Hineinschnuppern in das Genre», nannte Jonas Kaufmann sein zweites Standbein im persönlichen Gespräch. Ein paar Monate vor dem Beginn der Amtszeit war das. «Und wenn mich das sehr packt, wie ich fürchte», fügte er hinzu, «werde ich es vielleicht noch länger machen».
Jetzt sitzt er als Intendant im Festspielhaus Erl, mittleres Parkett, unmittelbar hinter dem milliardenschweren Mäzen und früheren Strabag-Chef Hans Peter Haselsteiner. Und bleibt auch dort, also fast unsichtbar, abgesehen von vernehmlichen Schwätzchen mit dem Geldgeber. Kein kurzer Ausflug an die Rampe, keine Begrüßung, keine nachträglichen Weihnachtswünsche. Wie seltsam: Die ersten Tiroler Festspiele unter Kaufmanns Ägide starten ohne verbales Vorspiel, sondern gleich mit vier angriffslustigen Unisono-Noten von Fagott, Celli und Kontrabässen – dem Beginn von «La Bohème».
Das Haus ist ausverkauft, so hatte es sich ...
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Opernwelt Februar 2025
Rubrik: Im Focus, Seite 18
von Markus Thiel
Naturgemäß sah man bei einigen während der Aufführung und in der Pause Naserümpfen. Klar, Jan Philipp Glogers Neuinszenierung des operettigen Kultstücks ist eigenwillig, wobei er es bei ein paar Spitzen gegen das Genre belässt und vor allem das Problem «Übertourismus» im Blick hat. Da wird einem dann auch mal eine treffende Passage von Hans Magnus Enzensberger um...
Es riecht. Mottenkugeln könnten das sein, doch die Nachbarn im Parkett sind’s bestimmt nicht, hier verströmt sich ja teures Parfum. Es muss wohl von vorn kommen: Es muffelt auf der Bühne. Dort, wo alles in heimeliges Sepialicht getaucht ist und eine Szenerie den ästhetischen Rücksturz in Opas Oper feiert. Alles 18. Jahrhundert: die Gehröcke der Herren mit den...
Das Theater als Tollhaus? Bitte, hier haben wir es! 1500 Schulkinder veranstalten schon vor Beginn der «Familienoper zur Weihnachtszeit» eine Party, wie sie so nicht im Buche steht, jedenfalls nicht in dem jener Erzieherinnen, die sich nach Kräften mühen, die Begeisterung zu dämpfen, damit man die Musik aus dem Graben, wo Neil Valenta seines Amtes waltet, zumindest...