Selbstbestimmung
Schon vor zwei Jahren hat Regisseur Alexander Schulin mit Donizettis «Liebestrank» in Nürnberg zum Saisonende einen Höhepunkt gesetzt. Waren dabei Leichtigkeit und szenischer Witz zu bewundern, so sind es jetzt bei «Lucia di Lammermoor» der tiefe Ernst und die Glaubwürdigkeit, die es sonst so schwer haben bei einem Stoff voller Konventionen, die uns fremd geworden sind. Wie erzählt man heute ein Ende des 16.
Jahrhunderts spielendes Schauerdrama aus dem schottischen Hochland?
Dem Regieteam ist ein goldener Mittelweg gelungen: Es stellt die Handlung in eine Art Opernmuseum und kann sich durch diesen abstrahierenden Kunstgriff ganz auf die Psyche und Körperlichkeit der Figuren konzentrieren, die gleichzeitig künstlich und doch ganz heutig und voll pulsierenden Lebens sind. Das Opernmuseum ist das Einheitsbühnenbild (Ausstattung: Markus Pysall): ein klassischer Ausstellungssaal mit viel Oberlicht, in dem einige wenige Schaustücke die unterschiedlichen Spielorte charakterisieren.
Zu Beginn hängt da wie zum Ausbluten ein massiger Stier: das Tier, das zuvor Lucia angegriffen haben soll und von Edgardo erlegt wurde. Der Stier wird nicht nur zum Sinnbild des zunächst nur auf juristischer ...
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Dass Salzburg 1982 in Levine/Ponnelles «Zauberflöte» eine «ideale» Aufführung gesehen haben will, erstaunt angesichts dieser Aufnahme. War alles andere damals so schwach, dass solch eine Klassikerpflege als überragend galt? Oder hat der «historische» Mitschnitt den Esprit nicht eingefangen? Neben der statischen Regie und den schleppenden Dialogen stört die Routine...
Keinen Zweifel lassen der kanadische Dirigent Yves Abel und Stephen Medcalf, in vielen Inszenierungen ein Meister der psychologisch raffinierten Aussparung, an der Brutalität der Novelle Mérimées, die von Bizet keineswegs in jenen süßlichen Kitsch pseudospanischer Folklore übersetzt wurde, wie eine lange (schlechte) Tradition es gern sieht. Bizet komponiert Szenen...
Von den Protesten, die der Bayreuther «Ring»-Produktion 1976 entgegenschlugen, können sich viele, die nicht dabei waren, heute kaum noch eine Vorstellung machen. Dass grimmig blickende Menschen mit Transparenten um das Festspielhaus liefen, auf denen, groß und ernst gemeint, ein Alberich-Zitat stand, war dabei noch das Geringste: «Verflucht sei dieser ‹Ring›»....