Schmerzenskind, neu gedacht
Vor fünf Jahren eröffnete im Pariser Vorort Boulogne-Billancourt auf der Ile de Seguin der gigantische Musik- und Theaterkomplex «La Seine Musicale». Philippe Jaroussky mit seiner Académie Musicale und die Originalklang-Dirigentin Laurence Equilbey mit ihren Ensembles, dem Chor accentus und dem Insula orchestra, haben sich dort eingenistet. Das Programm bildet keine Konkurrenz zu den Pariser Tempeln der Hochkultur im Zentrum, will niedrigschwellig sein und ist so breit wie gesichtslos; Oper kommt fast gar nicht vor.
Es sei denn, Equilbey macht sich daran, einen Repertoire-Klassiker neu zu denken. Nach Webers «Freischütz» hat sie sich nun den «Fidelio» vorgenommen.
Beethovens Schmerzenskind hängt bis heute der Ruf an, es sei ein Werk unversöhnlicher Brüche: Das betuliche Singspiel vertrage sich nicht mit dem Pathos des großen Musikdramas, zudem habe Beethoven für die tragenden Rollen nahezu Unsingbares komponiert. Mit historischen Instrumenten, dem schlank tönenden accentus Chor und überwiegend lyrisch grundierten Solisten gelingt es der französischen Dirigentin, diese Vorurteile weitgehend auszuräumen, indem sie die herkömmlichen Besetzungskonventionen umdeutet. Oder besser ...
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Opernwelt 8 2022
Rubrik: Panorama, Seite 49
von Regine Müller
Wann haben Sie zuletzt in der Oper geweint?
Ob ich geweint habe, weiß ich nicht mehr, aber tief beeindruckt, erschüttert hat mich Chaya Czernowins «Infinite now» 2017 am Nationaltheater Mannheim. Sehr bewegt hat mich auch Halévys «La Juive» in der Regie von Lydia Steier (Staatsoper Hannover 2019).
Wo würden Sie ein Opernhaus bauen?
In der Wüste – zum Beispiel in...
Wohl kein Himmelskörper wurde so häufig besungen wie dieser. Zu groß seine Faszination, zu immens seine Ausstrahlung, um nicht die Feder in die Tinte zu tauchen. Die vielleicht schönste Hommage an den Mond schrieb Joseph von Eichendorff: «Es war, als hätt der Himmel / Die Erde still geküsst, / Dass sie im Blütenschimmer / Von ihm nur träumen müsst», so lautet die...
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