Schlucken vor der Einsicht
Als Patrice Chéreau 1994 in Salzburg Mozarts «Don Giovanni» inszenierte, wagte er ein Tänzchen. Im zweiten Akt, wenn der Verführer seine Canzonetta zur Mandoline säuselt, posierte kein Macho unter dem Balkon von Elviras Zofe, sondern ein halb verrückter Autist begann sich zu drehen, zu steigern, zu verlieren in der Sucht des Eroberns. Es war ein leerer, trippelnder Totentanz, ein Abgesang auf den Eros, ein dürrer Kommunikationsversuch, mehr Klage als Tändeln. Ein berückendes Bild, aus dem sich Friedhofsszene und Finale als logische Konsequenzen ergaben.
Wenn Chéreau nun in Aix-en-Provence «Così fan tutte» inszeniert, taucht wieder ein Abschiedstanz auf. Wir sind noch in der Exposition des Stückes, bevor Ferrando und Guglielmo sich als Soldaten verabschieden, um gleich darauf als Tizio und Sempronio die Braut des jeweils anderen zu erobern. Die vier jungen Menschen, die sich nie mehr so finden werden, wie sie sich gerade noch haben, halten sich an den Armen. Sie ziehen sich in Kreisen über die Bühne, zerren sich vorwärts, richtungslos, mühsam Halt aneinander findend. In der Generalpause nach Mozarts in hoffnungslosen Sechzehnteln zuckendem Andante hackt Don Alfonso diesen Reigen mit ...
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