«Rotwein-Scheiß» und andere Grausamkeiten
Ja, 1927 war es leicht, einen klaren politischen Standpunkt einzunehmen. Als Kurt Weill und Bertolt Brecht ihr «Mahagonny-Songspiel» schrieben, hatte die kommunistische Utopie noch nichts von ihrer Strahlkraft eingebüßt, und es war genau auszumachen, wo der Feind stand. Fast mochte man meinen, Franck Ollu und das Ensemble Modern wollten zur Eröffnung des 18. Dessauer Kurt Weill Fests zeigen, wie museal der Agitprop-Klassiker über eine fiktive Goldgräberstadt mittlerweile geworden ist. Sie exekutierten das Stück derart trocken und spröde, als handle es sich um eine Neue-Musik-Etüde.
Auch die Solisten – Salome Kammer, Sylvia Nopper sowie die vier Herrn vom Atrium-Ensemble – gaben sich alle Mühe, Weills rotzigen Proleten-Sound hochkulturell zu sublimieren.
Umso klangsinnlicher präsentierten sie das zweite Werk des Doppelabends, die Uraufführung von Helmut Oehrings «Die Wunde Heine». Der 1961 geborene Berliner Komponist versteht sein (als Auftrag von Weill-Fest, Kölner Triennale und der Frankfurter Oper entstandenes) Werk dezidiert als Antwort auf das «Mahagonny-Songspiel». Ein politisches Stück aber ist ihm nicht geglückt. Dabei wäre es gerade an diesem Ort, an diesem Abend so wichtig ...
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