Prozession, multimedial
Am Ende stehen drei Kreuze: In lichtem Lohengrin’schen A-Dur, der in ihrem doppelten Symbolgehalt – sie steht zugleich für Golgatha und die heilige Trinität – wohl christlichsten aller Tonarten, verkündet der Chor am Ende von Walter Braunfels’ Jeanne d’Arc-Oper den Sieg des Glaubens. Die Befreierin Frankreichs ist zwar auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden, doch ihr Herz blieb unversehrt – und am Ende triumphiert nicht der Satan, sondern die Hoffnung.
Als Walter Braunfels dieses Finale seiner «Szenen aus dem Leben der Heiligen Johanna» schrieb, hatte er solchen Seelentrost selbst bitter nötig: Seit zehn Jahren lebte er, als Halbjude schon 1933 seines Amtes als Rektor der Kölner Musikhochschule enthoben, in seinem Haus am Bodensee in der inneren Emigration. Der einstige Erfolgskomponist, dessen Aristophanes-Oper «Die Vögel» in den zwanziger Jahren weltweit Furore gemacht hatte, war so gut wie vergessen, durch Aufführungsverbot seiner Werke aus dem öffentlichen Bewusstsein ausradiert. Es braucht das Wissen um diesen Hintergrund, wenn man die ganze Tragweite der «Heiligen Johanna» begreifen will: Denn das zwischen 1938 und 1942 entstandene Stück ist nicht bloß ein veropertes ...
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Die Szene: eine Gitterkonstruktion auf zwei Etagen, eine Treppe, Flure, Türen, die szenische Abbreviatur des Hochhauses, in dem das Stück spielt. Im Bühnenvordergrund das Zimmer Franziskas, der Hauptfigur, mit ein paar zerschlissenen Möbelstücken angedeutet. Weitere Spielorte werden lediglich durch Requisiten markiert. Die Zuordnung der Räume wirkt beliebig. Wer im...
Eigentlich war es wie immer, wenn Johann Kresnik Oper inszeniert. Gerüchte über ein mögliches Skandalon, die im Vorfeld durchsickerten, geisterten als anrüchiges Gespenst durch die Lokalmedien, entpuppten sich dann aber, nüchtern betrachtet, doch nur als Gratisreklame. Auch in Erfurt kamen weder der Griff in die amerikakritische Klischeekiste noch die Verlegung...
Die Unterwelt des Bewusstseins, ihr rätselhaft Abgründiges und Monströses, hat Harrison Birtwistle schon immer fasziniert. Zumal in den Bühnenwerken findet die Vorliebe des 73-jährigen Doyens der britischen Komponistenszene beredten Ausdruck. Gleich der (vor vier Jahrzehnten in Aldeburgh uraufgeführte) Erstling steckte ein Terrain ab, das auf der Nachtseite der...