Problematisches Puzzle

Das Théâtre du Grand Saint-Jean bringt eine Prise Glyndebourne nach Aix. Zwanzig Autominuten vor der Stadt liegt ein idyllisches Landgut, man promeniert unter alten Alleen und kann vor der Aufführung picknicken. Gespielt wird im Innenhof, dessen maroden Charme Ivan Theimer in seine Ausstattung des «Barbiere di Siviglia» einbezieht. Fünf verschiebbare Wände genügen ihm, um die Bühne immer wieder blitzschnell zu ändern. Das szenische Tempo entspricht Rossinis Musik.

Regisseur David Radok überträgt den Motor der Buffa zusätzlich auf einen Bewegungschor: mal hyperaktives, mal schläfriges Dienstpersonal im Hause des Doktor Bartolo, das die Ensembles zur Gruppenchoreografie weitet. Der optische Effekt ist dabei freilich oft lauter als Rossinis akustische Pointen, die Daniele Gatti mit dem Orchester des Teatro Comunale aus Bolog­na präzise, aber mit angenehmer Dezenz zündet. So erlebt man eine Mischung aus Verdopplung à la Broadway und bunten Rollenpuppen nach Manier der Commedia dell’arte.
Wer sich dabei als Sänger behauptet, muss viel Persönlichkeit mitbringen. Peter Mattei tut dies vor allen anderen. In seinem Barbiere steckt die Erfahrung vieler «Don-Giovanni»-Vorstellungen. Ob er ...

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Opernwelt September/Oktober 2005
Rubrik: Im Focus, Seite 26
von Stephan Mösch

Vergriffen
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