Passion
Daniel Börtz verbeugt sich hastig. Lächelt schief, mit verlegenem Stolz. Schon schielt er wieder nach der Gasse und huscht von der Bühne. Eine fürsorgliche Hand muss den 72-jährigen Schweden mit dem weißen Rauschebart wieder nach draußen lenken, auf dass er den Applaus für die Uraufführung seiner «Medea» entgegennehme: Der klingt mehr als respektvoll. Das Stockholmer Publikum hat sich packen lassen von Medeas Wüten in Korinth.
Die Kungliga Opera landete 1991 mit einer anderen Euripides-Vertonung einen Börtz-Coup: Ingmar Bergman inszenierte seine «Bakchen», kurz darauf entstand auch eine Filmversion. Außerhalb Skandinaviens ist der Komponist jedoch nur eingefleischten Opernfans bekannt: Verhindert die Sprache Aufträge und Gastspiele?
«Medea» ist Börtz’ dreizehnte Bühnenkomposition. Stärker noch als das antike Drama ist die Oper auf die Titelfigur zugeschnitten, deren Gedanken und Gefühle von den Übrigen gespiegelt, beklagt, angezweifelt werden. Passions-Aura durchdringt den Saal, so umfangreich ist die Rolle der korinthischen Frauenschar (hervorragend disponiert die Damen der Stockholmer Oper), wobei Börtz in den Chören mit Chorsoli und Solistenensembles raffiniert für Abwechslung ...
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Opernwelt März 2016
Rubrik: Panorama, Seite 53
von Wiebke Roloff
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