Original und Palimpsest
Dichtertum und Trunkenheit: Man kennt das in Graz. Werner Schwab starb vor fast zwölf Jahren in der Silvesternacht, Magic Wolfgang Bauer erst vor wenigen Wochen, beide wohl an alkoholischer Erschöpfung. So trifft das zerrüttete Bild, das der Titelheld am Schluss von Offenbachs «Hoffmanns Erzählungen» in Tatjana Gürbacas Grazer Inszenierung bietet, einen bekannten Nerv. Gerade noch bereit zum rasanten Abflug ins Reich der Fantasie, liegt er stockbesoffen auf der Gangway, als Transe mit Perücke und Stöckelschuh.
Letztere sind Fetische, übrig geblieben aus seinen Traum- und Zerrbildern von der idealen Frau.
Der Trost der Muse und des «Chors der unsichtbaren Geister» – der sich hier als Publikum eines Kunst-Events materialisiert – klingt wie der pure Hohn: Dein Unglück, Künstler, macht deine Kunst erst möglich. «Nicht der Mensch zählt, sondern einzig, was er schafft», beschrieb Egon Voss diesen Schluss in einem wichtigen «Hoffmann»-Essay, den Tatjana Gürbaca wohl gut verinnerlicht hat. Zumindest faltet sie einige der dort geäußerten Ideen überzeugend für die Bühne auf. Etwa die Figur der Muse als Öffentliche Meinung und als Hoffmanns Managerin. Die vielseitige Sophie Marilley, an ...
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