Oper(n)ammergau
Der Skandal ist auch nicht mehr, was er einmal war. Als der in Ehren ergraute österreichische Bürgerschreck Hermann Nitsch – in Zusammenarbeit mit dem jungen Schweizer Schauspieler und Regisseur Andreas Zimmermann – im Zürcher Opernhaus Schumanns «Faust-Szenen» auf die Bühne brachte, mochte er nicht auf das Markenzeichen seines «Orgien Mysterien Theaters», die rituelle Ausweidung eines toten Tieres, verzichten.
Weil sich die tatsächliche Aktion aber dort verbot, wurde ein lebensecht präpariertes Kunstschwein unter Zuhilfenahme von beträchtlichen Mengen Theaterblut fachgerecht zerlegt und der ganze Vorgang zusätzlich in doppelter Videoprojektion vergrößert. Wenn Gretchen, auf deren Zusammenbruch in der Domszene der rituelle Vorgang zeichenhaft verweisen soll, am Ende «dieses wiederfindens der realen sinnlichkeit in der kunst» (Nitsch) – «Nachbarin! Euer Fläschchen!» – in Ohnmacht fällt, ist der Gipfel der unfreiwilligen Komik erreicht. Der abendfüllend sich dahinquälende Rest des gänzlich unreflektierten Versuchs, Schumanns Opéra de concert von der imaginierten auf die wirkliche Szene zu hieven, versandet in bleierner Langeweile – ein Oper(n)ammergau mit abstrakten Projektionen aus ...
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