«Ne me touche pas!»
Sensibel in der Zeichnung der Figuren, subtil in der Reduzierung der Partitur auf gerade mal fünf Instrumente und spannend erzählt wie ein Krimi – so kommt diese maximal verdichtete Version von «Pelléas et Mélisande» daher. Das impressionistische Drame lyrique, das Debussy als Sohn des Fin de Siècle 1902 mit scheinbar von der Welt entfernter Entrücktheit auf den Text von Maurice Maeterlinck erdachte, heißt hier zeitgemäß feministisch nur mehr «Mélisande».
Die typisierte Femme fragile eines zauberhaften Unschuldswesens muss eben heute nicht mehr als bloße Projektion männlicher Begierden erscheinen. Das märchenhafte Mädchen braucht kein ergänzendes «und» mehr, um vollends seine Existenz zu definieren, es ist zu einer modernen französischen Frau mutiert, die sich ihrer Wirkungsmacht auf das einst starke Geschlecht sehr wohl bewusst ist und die in ausgeprägter Natürlichkeit damit spielt. Den Ring, den ihr Golaud als Pfand ihrer lieblosen Beziehung an den Finger gesteckt hat, verliert sie eben nicht einfach so wie ein Kind beim naiven Herumtollen am Teich: Die Emanzipierte wirft ihn bewusst ins Waschbecken des gemeinsamen Lofts, hätte ihn beim Abschrauben des Abflusses später sogar fast ...
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Opernwelt Mai 2023
Rubrik: Im Fokus, Seite 24
von Peter Krause
Andreas Homoki als einer, der aufräumt mit hergebrachten Deutungsmethoden zu Richard Wagners «Ring des Nibelungen»? Der Gedanke greift hoch, vielleicht zu hoch, abwegig ist er nicht. Je weiter der neue Zürcher «Ring» gedeiht, desto deutlicher wird, wie gut Homokis Konzept aufgeht – die Maxime nämlich, nicht eine weitere Auslegung der Tetralogie auf die Bühne zu...
Wartehallen von Flughäfen gelten als Unorte. Perfektioniert für ihre Aufgabe des möglichst reibungslosen, sicheren und schnellen Transfers möglichst vieler Menschen und deren Gepäck sollen sie gerade so einladend sein wie unbedingt nötig. Entscheidend ist die Eindeutigkeit ihrer Funktionen. Poesie wird hier jedenfalls nicht gebraucht. Für Claudio Monteverdis «Il...
Es könnte sich gut in einem kleinen italienischen Opernhaus abspielen, was nach Cio-Cio-Sans berühmter Arie »Un bel di, vedremo« passiert: Die Primadonna steht in einem sehr konventionellen Bühnenbild auf dem Steg im Rampenlicht und schüttelt die ausgebreiteten Arme für noch mehr Bravi. Im begeisterten Publikum befinden sich augenscheinlich Claqueure, der Dirigent...