Melancholie des Südens
Des künftigen Dogen Simon Boccanegras Braut scheidet auf eben jener steinernen Bahre aus der Welt, auf die sich der Gebieter über Genua ein Vierteljahrhundert später ebenfalls zum Sterben niederlegen wird. So schließt sich für Regisseur Richard Jones ein von tiefer Melancholie gezogener Kreis. Am Beginn steht das Eheverbot Fiescos und Marias gram -erfüllter Tod, am Ende das Hinscheiden des durch Gift hingerafften genuesischen Staatsoberhaupts.
Die Ausrufung des jungen Gabriele Adorno als dessen Nachfolger erscheint angesichts der Rankünen, die diesen Schritt begleiten, als kaum glaubwürdiger und eher belangloser Epilog. Zwar hatte in der Ratsszene zunächst die Begeisterung des risorgimento Oberhand gewonnen – Verdi bietet dazu noch einmal alle denkbare Emphase auf. Doch stimmt Jones’ düstere Sicht mit jenem tiefen Verdruss über die politischen Verhältnisse überein, die Verdi mitunter schwarz für Italien sehen ließen. Ob Adorno aus Liebe die Standesschranken durchbricht oder Fiesco final Boccanegras Format begreift und nun selbst zur Versöhnung der sozialen Gegensätze beiträgt: Das utopische Moment scheint auf wie ein Silberstreif am Horizont.
Indessen bleibt ganz und gar fraglich, ...
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Opernwelt Februar 2025
Rubrik: Panorama, Seite 37
von Michael Kaminski
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