Tremolo-Terror
Wilhelm Müller ließ 1821 zwei Bände drucken mit dem reizvollen Titel: «Siebenundsiebzig Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten». Darin fanden sich «Die schöne Müllerin» und «Die Winterreise», leider aber auch ein Zyklus mit dem wenig präzisen Titel «Johannes und Esther» – das Mädchen kommt gar nicht zu Wort, sondern wird nur besungen, und zwar mit den simpelsten Strophen. Wer schon die Texte der «Winterreise» als banal abtut, dürfte kaum eine Bezeichnung für dieses pseudopoetische, antijüdische Machwerk finden.
Dem Schweizer Komponisten Theodor Fröhlich (1803–1836) aber gefiel es. Er vertonte die zehn Gedichte – allerdings in einer Weise, die das Niveau der schriftstellerischen Vorlage sogar noch unterbietet. Der Canzonetten-Kranz fand keinen Verleger, kürzlich jedoch einen Interpreten, und zwar Ian Bostridge, der nochmals eine Stufe tiefer steigt, indem es ihm unbeabsichtigt gelingt, die kompositorischen Schwächen bloßzustellen. Es fällt dadurch auch ein Schatten auf die Romantik schlechthin, ihren verlogenen Gefühlskult, ihre heuchlerische Frömmigkeit, ihre abgeschmackte Natursymbolik.
Beim ersten Lied «Christnacht» horcht man kurz auf. Die ...
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Opernwelt Februar 2025
Rubrik: Medien, Seite 26
von Volker Tarnow
Mit dem Thema «Balzac und das Lied» wäre nichts zu holen, meint Romain Benini im Booklet des Albums «Chansons Balzaciennes», vergisst jedoch, dass Musik im Œuvre des großen französischen Epikers durchaus von Bedeutung ist. Allerdings ließe sich damit eine Schneise in den kulturellen Untergrund der Gesellschaft schlagen, die der Dichter in seiner «Comédie humaine»...
Nein, der Mond scheint hier nicht über Judäa. Weder am Anfang, wenn er im Original als seltsame Scheibe am freitonalen Firmament auftaucht und den wunderschön singenden Narren Narraboth (Denzil Delaere) in seiner nachgerade idiotischen Verliebtheit anstrahlt, noch am Ende, wenn er aus dem grellen Cis-Dur-Tremolo hervorbricht und die Prinzessin beleuchtet, kurz...
Gelacht?» «Kein bisschen.» Die Antwort ist einigermaßen desaströs für einen Spaßmacher, dabei hatte sich Truffaldino, der Narr, doch so ins Zeug gelegt, um den kranken Prinzen zum Lachen zu bringen. Als aufgebrezelte Krankenschwester war er auf die Bühne gesprungen, mit Polsterhintern und bald sichtbar werdendem Riesen-BH, und hatte sich selbst eine Spritze in den...