Mehr als «Manon»
Vor dem Eingang zur Pariser Opéra Comique stehen sie seit 1898 Seite an Seite, in Stein gemeißelt, überlebensgroß: Carmen und Manon, jene beiden Frauen, die nach den Worten des legendären Impresarios Albert Carré «die zwei Meisterwerke dieses Hauses und der französischen Musik» repräsentieren.
Ist es Manons Schuld, wenn heute Carmen die Spielpläne dominiert? George Bizets stolze Femme fatale spricht die Wahrheit stets genauso frei und rücksichtslos aus, wie es auch ihr Schöpfer getan hat.
Manon dagegen trägt zwei Seelen in der Brust, genau wie Jules Massenet: Sie betritt die Bühne als rührend naives Mädchen, entwickelt bald eine charmante Koketterie, flirtet mit aller Welt und bleibt dann doch in ihrer seelischen Entwicklung auf halbem Wege stehen, hin und her gerissen zwischen Gefühl und Ehrgeiz. Ihr Geist ist willig, doch das Fleisch, ach, bleibt schwach.
Zwei Frauenschicksale, die gleichermaßen berühren, zwei Opernfiguren, die zeigen, was im französischen Musiktheater um 1880 möglich ist. Hier die emanzipierte, anarchistische Carmen, ein Schocker für die patriarchalische Gesellschaft, dort die Rokoko-Schönheit Manon, die Beschützerinstinkte weckt, aber letztlich daran scheitert, ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Opernwelt August 2012
Rubrik: Essay, Seite 44
von Frederik Hanssen
Ein von der Ehe gelangweilter Förster, eine ebenso frustrierte Frau, dann plötzlich, als verhängnisvolle «Chance», eine neue, animalische, von allerlei anderem Getier umgebene Gefährtin, das offerierte das BR-Symphonieorchester zu Anfang der Saison als «Familienkonzert». Leos Janáceks «Schlaues Füchslein» als Nettigkeitsoffensive für Jung und Alt, moderiert von...
Steckt hinter Ihrer Idee, im Musiktheater viele Elemente und Kunstdisziplinen zu verschmelzen, die Vorstellung einer möglichst umfassenden Abbildung von Welt?
Nein, die Welt bringt ja jeder Zuschauer selbst mit, der mit seiner Erfahrung und seinem «Weltwissen» dem Bühnengeschehen zusieht. Mich interessiert nicht der Anspruch einer umfassenden Abbildung, spannend...
Orchestrale Flüssigkeit. Sinn für’s Atmosphärische. Und Schwung! Das sind musikalische Qualitäten, zu denen sich lettische Dirigenten wie Mariss Jansons oder Andris Nelsons emphatisch bekennen. Tatsächlich sind diese Eigenschaften beim Orchester des Opernhauses von Riga selbstverständlich, auch wenn dieses von anderen Dirigenten geleitet wird. Ist die Fähigkeit zum...