Mal ehrlich März 2018
Vor 25 Jahren machte ich mich an einen Roman. Zwischen meinen Proben für Monteverdis «Ulisse» in Amsterdam gab’s viel Zeit totzuschlagen. Wartephasen sinnvoll zu füllen, ist überlebenswichtig als Comprimario – und wozu kleine Brötchen backen?
Leider habe ich das Manuskript, zusammengehämmert auf einer elektrischen Reiseschreibmaschine, längst verschlampt. Mein Geschreibsel handelte von einem egomanen Dirigenten namens Jack Ellison Fieldman (Ähnlichkeiten mit realen Personen wären purer Zufall!), der auf dem Gebiet der historischen Aufführungspraxis eine steile Karriere macht.
Die Seiten zwischen Anfang und Schluss bekam ich nie gefüllt, aber im letzten Kapitel kriegt der Antiheld sein Fett weg: Ein Typ, den er an der Uni mal über den Tisch gezogen hat, setzt Fieldmans Laufbahn jäh ein Ende, als er dem Publikum ein bisher unerhörtes Maß an «Authentizität» schenkt: Gustav Mahlers Fünfte, dirigiert vom Komponisten höchstselbst und gespielt von den Wiener Philharmonikern, allesamt persönlich anwesend in Form bewegter Hologramme!
Meine Argumentation sah so aus: Wenn Technik und Forschung etwas hervorbringen, das praktisch «das Wahre» ist, wer braucht dann noch bloße Interpreten? Der ...
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Opernwelt März 2018
Rubrik: Aus dem Leben eines Taugenichts, Seite 71
von Christopher Gillett
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