Magische Momente
Ein Bild, zu schön, um wahr zu sein: Auf einer Schaukel schwebt Rusalka übers Wasser. Die Schuppen ihres Nixenkleides funkeln von türkis bis smaragdfarben in allen Grüntönen, die lange Schärpe fließt glitzernd an ihrem Körper herab. Doch das Idyll hat einen Riss: Rusalka will heraus aus ihrer Nixenhaut, ihr nasskaltes Ich abstreifen und menschliche Gestalt annehmen, um die Liebe des Prinzen zu gewinnen.
Antonín Dvořáks «Rusalka», in der Andersens Märchenerzählung «Die kleine Meerjungfrau» mit dem slawischen Mythos der Rusalki verschmilzt, beschreibt eine unheilvolle Metamorphose. Und der Preis, den die Nixe für ihre Menschwerdung zahlt, ist hoch: Sie opfert ihre Stimme, die Rückkehr in die Wasserwelt ist ihr auf immer versperrt. Der Mythos weiblicher Selbstaufopferung strahlt selten so hell wie in diesem Stoff. Doch Regisseur Axel Vornam umschifft die pathetischen Klippen des Librettos, indem er den Fokus seiner Inszenierung auf Rusalkas blindwütige Sehnsucht nach Verwandlung lenkt, auf den Wunsch, eine andere zu werden.
Wie besessen wälzt sie sich vor der Hexe Jezibaba auf dem Boden. Das glänzende Schuppenkleid scheint ihr zu eng geworden. Sie zuckt und windet sich wie bei ...
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Opernwelt 8 2022
Rubrik: Panorama, Seite 39
von Silvia Adler
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