Lyrische Dramaturgie
Ein «begnadeter Zauderer» sei er, ein «Moralist der Kunst», ein «Grübler und Skeptiker, der alles, was er singt, hinterfragt – auch und vor allem sich selbst und seinen Gesang». Mit diesen Worten hat der Germanist Dieter Borchmeyer vor neun Jahren in einer Laudatio die Persönlichkeit Christian Gerhahers umrissen (siehe OW-Jahrbuch 2010). In der Tat: Es gibt derzeit vielleicht keinen zweiten Sänger, dessen künstlerisches Selbstverständnis so tief im reflektiert-wissenden Zweifel wurzelt.
Interpretation – das heißt für ihn: ewige Suche nach der inneren Wahrheit des Werks, der Essenz von Text und Musik. Singen – das bedeutet für ihn, in der Oper und besonders im Lied, in jener intimen Gattung, an der sich seine kreative Energie vor allem entzündet: Wanderschaft ins Offene, mit wachem Geist, bei allen Sinnen.
Kein Wunder, dass Robert Schumann, der moderne Romantiker, dem Bariton besonders nahesteht, zumal die introvertierte, ironisch gebrochene Welt seiner Lieder. Schon 2004 hat er, als 35-Jähriger, mit seinem Klavierpartner Gerold Huber die «Dichterliebe» und weitere Zyklen aufgenommen (OW 4/2005); vier Jahre später folgte unter dem Titel «Melancholie» ein Album mit dem «Liederkreis ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Opernwelt Januar 2019
Rubrik: CD des Monats, Seite 25
von Albrecht Thiemann
Eine ähnlich radikale Umdeutung von Mozarts «Idomeneo», wie Peter Konwitschny sie jetzt in Heidelberg herausgebracht hat, war wohl noch nie zu sehen. Wenn am Ende des zweiten Akts das vom Meeressturm entsetzte Volk den Namen des Schuldigen fordert, entert der verzweifelte Titelheld, wie in einem Amoklauf den Gott Neptun verfluchend, das im Hintergrund auf der...
Die Herren kennen einander. Natürlich nicht persönlich, Franz Schubert starb bekanntlich 1828, als Ian Bostridges Vorfahren noch gar nicht wussten, dass sie dereinst einen namhaften Liedsänger in ihrer Familie haben würden. Als solcher ist Bostridge seit Langem international anerkannt, zumal auf dem Gebiet der Schubert-Exegese; nicht zuletzt sein Buch über den...
Die Zeit. Ein «sonderbar Ding» sei sie, erkennt Feldmarschallin Fürstin Werdenberg. Sie taugt wohl auch als guter Leim, vermag sie doch zur sinnvollen Collage zu verkleben, was a priori nicht unbedingt füreinander geschaffen scheint. Unterschiedliche Lieder etwa wie auf den beiden hier verhandelten Alben. Deren Dramaturgie stellt über die Werke hinaus...