Für den Salon
Für einmal nicht «Hänsel und Gretel», sondern «Aschenputtel». Doch nicht von Rossini (und auch nicht von Massenet), sondern aus der Feder einer der bedeutendsten Sängerinnen der Operngeschichte. Pauline Viardot, die erste Fidès in Meyerbeers «Le prophète», die seit 1841 regelmäßig als «Cenerentola» in Rossinis Oper brilliert hatte, ließ 1904 eine einaktige Operette in einem Pariser Salon aufführen: Libretto und Musik hatte sie selbst verfasst.
Das Stück funktioniert als Weihnachtsmärchen für Kinder, wie Gilles Ricos effektsichere Inszenierung und die Reaktionen des Lausanner Publikums bewiesen. Freilich hatte die große alte Dame dieses Kammerspiel gerade nicht für Kinder geschrieben. Schneidende Ironie und herbe Melancholie waren für die erwachsenen Gäste im Salon der Mademoiselle de Nogueiras bestimmt. Doch für solche Zwischentöne blieb in einer am Walt-Disney-Look orientierten Produktion kein Raum. Die frechen Zwischentexte in Cendrillons Auftrittslied wurden konsequent gestrichen, die vom Liedtext «Er wollte eine Prinzessin» provozierte Frage «Was für eine verrückte Idee! Warum musste sie Prinzessin sein, wenn sie es doch durch Heirat sowieso geworden wäre?» dem Publikum nicht ...
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Opernwelt Januar 2019
Rubrik: Panorama, Seite 44
von Anselm Gerhard
Einfach ein «fröhliches Schauspiel» sollteProkofjews «Die Liebe zu den drei Orangen» nach Absicht ihres Schöpfers sein. Die scharfe Lauge der Musik spricht allerdings eine andere Sprache. Allrounder Axel Ranisch hat in seiner Stuttgarter Inszenierung der absurden Meta-Oper aus Märchen und Groteske, Masken- und Zaubertheater, Commedia dell’arte und Offenbach’scher...
Da steckt Musik drin!, dachte sich Ottorino Respighi schon bei der ersten Lektüre von Gerhart Hauptmanns symbolistischem Märchendrama «Die versunkene Glocke» (1896). Anderen war das schon vorher aufgefallen. Die Vertonung von Heinrich Zöllner (1899) hatte indes nur kurz Erfolg, und Maurice Ravel brachte ein Opernprojekt, mit dem er Debussys «Pelléas» Konkurrenz...
Allzu selten dient ein Opernlibretto derzeit als echte Steilvorlage für einen Regisseur. Und wenn überhaupt, dann ist es Material, das es gegenzulesen gilt. Bei Robert Wilson ist das anders. Er bedient sich einfach bei Puccinis Textdichtern Giuseppe Adami und Renato Simoni, die ihrerseits Schillers Bearbeitung der fiabe teatrali «Turandot» des Venezianers Carlo...