Literaturopern aufs Neue
Immer wieder nehmen Komponisten Rekurs auf einen literarischen Text, wobei es sich nicht einmal um dramatische Vorlagen handeln muss. Zwei neue Beispiele: Für die seit 1997 vom Theater Bonn mit der dortigen Bundeskunsthalle nun schon zum dreißigsten Mal durchgeführte Novitätenreihe «Bonn Chance!» komponierte der vor allem als Klavierinterpret neuer Musik renommierte Steffen Schleiermacher «Kokain» nach einer Novelle von Walter Rheiner; die Oper Dortmund brachte Eckehard Mayers Opernversion der Günter-Grass-Erzählung «Das Treffen in Telgte» heraus.
Für Schleiermacher, bisher als Komponist für das Musiktheater nicht hervorgetreten, destillierte Steffen Lüddemann sein Libretto aus Motiven der 1918 entstandenen Novelle des expressionistischen Autors, der sich in seiner Drogenabhängigkeit 1925 willentlich den letzten Schuss gab. Das Original beschreibt aus der Perspektive eines Erzählers mit teilweise direkter Rede die letzten Stunden eines Süchtigen und nimmt Rheiners eigenes Ende vorweg. Rheiners «Held» Tobias potenziert wahnhaft seine eingebildete Wirkung auf die Gesellschaft zu deren Blick auf seine Person, während er in der Oper eine larmoyante Weltsicht entwickelt. In der wandelt ...
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