Literarische Liebe
Manchmal weiß man schon nach wenigen Sekunden, wie musikalisch ein Regisseur, eine Regisseurin ist. An diesem Abend in Magdeburg, der voller musikalischer Zweifel steckt, weil das von Alexander Steinitz geleitete Orchester einen rabenschwarzen Tag erwischt hat, genügt die Ouvertüre, um solches festzustellen. Vorne, vor dem noch geschlossenen Vorhang, sitzen Menschen auf Stühlen und warten: eine Situation wie aus einem Tschechow-Stück.
Die Ouvertüre, darin die Gattung dieser Oper («Lyrische Szenen») bereits beglaubigt wird, erzählt von den Sehnsüchten dieser wartenden Frauen, von der Vergeblichkeit dieser Sehnsucht. Ja, fast könnte man sagen: Diese Ouvertüre erzählt schon die ganze Geschichte.
Die Hoffnungs- und die Seufzermotive, die einander gegenüberstehen, gemahnen daran. Und Vera Nemirova lässt dies nicht ungeschehen an den Figuren vorüberziehen. Jedesmal, wenn das Hoffnungsmotiv aufscheint, ein aufsteigendes Melodiefragment, erheben sich die Frauen. Um sich, beinahe im gleichen Moment, wieder zu setzen, gemeinsam mit dem Erklingen des abwärts geführten Seufzermotivs. Die Grundtendenz des Abends ist damit konstituiert. Und wird – was der Spannung nicht abträglich ist – in den ...
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Das Projekt verdankt sein zentrales Stichwort dem bewundernden Ausruf eines Radioreporters über den Stürmer Günter Netzer (bzw. dem Kulturtheoretiker Karl Heinz Bohrer, der die tiefsinnige Formulierung kolportierte). Die Kreation zielt hörbar auf Phänomene der Alltagskultur – und auf den Versuch, Impressionen und Entladungen aus der Fußballwelt in die Sphäre...
Die griechische Literatur kennt Elektra, Medea, Klytemnästra und manch andere mythologische Schreckensfrauen. Frank Wedekinds Femme fatale Lulu, das «wilde schöne Tier», die «Alleszerstörerin» übertrifft sie indes alle. Lulu gebraucht und vernichtet die Männer wie jene in ihr nur das Weib gebrauchen, bis sie es zerstören. Nicht verwunderlich, dass die Gestalt der...
Gleich zu Beginn dieser Oper kracht es gewaltig. Und die Dresdner Staatskapelle, viel gerühmt für ihre Spielkultur bei Musiktheaterwerken der Moderne, beweist Sinn für Gegensätze. Eindrucksvoll, wie sich Verdis wuchtige Erschütterungen schon im Vorspiel mit unbeschwert lapidaren Momenten mischen, wie sich heroisches Pathos und unheilig-vorgetäuschte Nüchternheit...