Kleines großes Welttheater
Schon der Trabi, der vor der giftgrünen Waldkulisse parkt, sorgt für Heiterkeit. Als ein riesenhafter Wiedergänger des Sandmännchens, das hier den Erzähler gibt, auf die vorn ausgerollte Kunstwiese wackelt, erfasst das kichernde Entzücken den ganzen Saal. Jirí Nekvasil lässt Orffs «Mond» auf der großen Bühne des Prager Nationaltheaters eine DDR-Kulturlandschaft beleuchten, die nur noch in der Erinnerung lebt – so wie jene archaisch-mystische Verbundenheit des Menschen mit Natur und Kosmos, die der Komponist in seinem Opernerstling aus dem Jahr 1939 beschwört.
Ein zeitloses, bei den Gebrüdern Grimm geborgtes Märchen aus ferner Vergangenheit, uraufgeführt mitten in brauner Schreckenszeit. Nekvasil liest Orffs gestisch-erdige, magisch pulsierende Version der Mär von den vier Burschen, die den Mond vom Himmel holen und mit ins Grab nehmen, als Zeugnis einer Flucht, als ein nostalgisch-zeremonielles Zurück zu den Wurzeln des bedrohten Lebens. Und er gibt dieser Haltung ein historisches Flair, das in Tschechien (noch) fast jeder kennt: Ostalgie, made in GDR.
So versammeln sich die Mädels vom Czech Philharmonic Children’s Choir (Jirí Chvála) am Anfang und Ende in Schlafanzügen vor einem ...
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Opernwelt Dezember 2016
Rubrik: Im Focus, Seite 22
von Albrecht Thiemann
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