Kienzl: Der Evangelimann
Heutzutage ist Wilhelm Kienzls einst erfolgreicher «Evangelimann» eine echte Rarität. Dabei hat der Zweiakter um den kinderchorverstärkten Hit «Selig sind, die Verfolgung leiden» durchaus musikalische Qualitäten. Von dialogischer Klangrede über das atmosphärische Streicherweben bis hin zu den singspielhaften, gar operettigen Anklängen der Kegelszene werden die Facetten des Stücks in Chemnitz unter Eckehard Stiers umsichtiger Leitung der Robert-Schumann-Philharmonie auch deutlich.
Zudem kann man dort nicht nur die beiden Brüder überzeugend besetzen: In den großen Lebenszusammenfassungen im zweiten Akt steigert sich Edward Randall als Mathias beziehungsweise Evangelimann zu einer Eloquenz von Rom-Erzählungs-Format, vor allem aber Dietrich Greve gestaltet den Johannes ausdrucksstark und kraftvoll.
Eine angemessene szenische Form für die Geschichte zu finden, ist schon weitaus schwieriger. Beide Brüder lieben dieselbe Frau. Johannes blitzt bei ihr ab und zündet aus Ärger die Dorfkirche an. Aber nicht er, sondern sein Bruder Mathias muss dafür zwanzig Jahre ins Gefängnis. Martha zerbricht an dem Unglück, doch der unschuldig Eingekerkerte wird erleuchtet. Sein «Selig sind, die ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Die Geschichte des Operngesangs im Frankreich des 20. Jahrhunderts ist ein trauriges Kapitel: Galt um 1900 Paris mit seiner prunkvollen Opéra noch als Opernhauptstadt der Welt, war ein halbes Jahrhundert später von der alten Herrlichkeit so gut wie nichts mehr übrig. Die französischsprachigen Grand Opéras von Gounod, Thomas und Meyerbeer waren überall in der Welt...
Alle Achtung! Alfred Kirchner geriert sich in seiner Freiburger «Aida» nicht selbstgefällig als «elder statesman» der Regie – er rollt vielmehr die Ärmel auf. Er beweist, sagen wir: soziokulturelle Kompetenz. Er sieht Verdis Oper, weit weg von Verona und jedwedem Kostümschutt, als verdächtig gegenwartsnahen Kampf der Kulturen. Er bindet einen gänzlich...
Klein, silbern, teuer: Als vor gut einem Vierteljahrhundert die CD den Tonträgermarkt im Sturm nahm, war ein Preis von fünfundvierzig bis fünfzig Mark angepeilt. Das Spiel von Angebot und Nachfrage temperierte diese Phantasiesumme schnell, auch der Mangel an Aufnahmen im dreifach-digitalen Standard machte einen Strich durch die Rechnung. Nicht zuletzt mit den...