Intensität durch Distanz
«Wir arme Leut’», singt Wozzeck, als der Hauptmann ihm Moral predigt. Ein Erniedrigter und Beleidigter. Alban Berg hat in seiner Vertonung von Büchners Fragment Armut und Verelendung ins Zentrum gestellt. Die Versuchung drängt sich auf, entweder Elendskitsch oder ein heutiges Hartz-IV-Drama in prekärem Milieu zu zeigen.
Regisseur Ingo Kerkhof ist im Kölner Palladium diesen Versuchungen aus dem Weg gegangen und hat mit kühler Konsequenz auf Reduktion und Ausnüchterung gesetzt.
Gisbert Jäkel hat ihm dazu in der ehemaligen Industriehalle eine tiefe, im hinteren Bereich stets dunkle Bühne gebaut. Bläuliches Licht erhellt die karge Szene: zwei Brecht-Vorhänge, ein Festzelt für die Wirtshausszene. Sonst nichts als ein paar Requisiten, die herein- und herausgetragen werden. Jessica Karges Kostüme zitieren eine nicht näher definierte (ländliche) Vergangenheit.
Kerkhofs Regie baut auf die Kunst des Weglassens. Das Programmheft zeigt auf Probenfotos noch einen blutverschmierten Wozzeck. Die Premiere kommt ohne Theaterblut aus, selbst das Messer fehlt: Wozzeck schiebt lediglich die bloße Hand unter Maries Kleid und tötet sie damit. Kerkhof konzentriert sich auf Wozzecks Innenleben, ohne die ...
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Opernwelt Juli 2011
Rubrik: Panorama, Seite 44
von Regine Müller
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