Hier spricht die Musik

Die Bayreuther Festspiele punkten 2024 vor allem im «mystischen Abgrund»: Pablo Heras-Casado kostet im «Parsifal» die klangliche Raffinesse des späten Wagner aus, Simone Young gelingt ein grandioses «Ring»-Debüt, Nathalie Stutzmann präsentiert eine unprätenziöse «Tannhäuser»-Lesart. Szenisch wie musikalisch enttäuschend gerät der neue «Tristan»

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Der erste Applaus gilt einem Sänger, der gar nicht auf der Bühne steht. Ein paar Gedenksekunden für Stephen Gould hat Tobias Kratzer noch während der Ouvertüre eingebaut. Ganz unsentimental, als Teil der zentralen Videos wird an jenen Sänger erinnert, der die Titelpartie von Anfang an getragen hat und vor einem Jahr gestorben ist. Gould war uneitel und neugierig auf ungewohnte Rollenbilder. Deshalb ist sein trauriger Clown alias Tannhäuser in Erinnerung.

Das Publikum goutiert die Idee, sich noch einmal vor ihm zu verneigen – vielleicht kam sie auch von Manuel Braun, der für die Videos zuständig ist. Digitale und analoge Bilder fließen hier zusammen, wie es nur ganz, ganz selten gelingt. 2019 war dieser «Tannhäuser» erstmals in Bayreuth zu erleben und hat seitdem nichts von seiner Originalität und Tiefgründigkeit verloren. Noch immer geht es unter die Haut, wie sich ein eigenes Drama zwischen Wolfram und Elisabeth ereignet. Im dritten Akt resultiert daraus ein unendlich trauriger Liebesakt – voller Wunschprojektionen, unwirklich und doch real. Danach hat, endlich einmal, das abgrundtiefe, um Sprache und Klang ringende Rezitativ vor dem «Lied an den Abendstern» seine Berechtigung. ...

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Opernwelt September/Oktober 2024
Rubrik: Im Focus, Seite 12
von Stephan Mösch

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