Hartes Zigeunerleben

Cagliari, Bizet: Carmen

Opernwelt - Logo

Keinen Zweifel lassen der kanadische Dirigent Yves Abel und Stephen Medcalf, in vielen Inszenierungen ein Meister der psychologisch raffinierten Aussparung, an der Brutalität der Novelle Mérimées, die von Bizet keineswegs in jenen süßlichen Kitsch pseudospanischer Folklore übersetzt wurde, wie eine lange (schlechte) Tradition es gern sieht. Bizet komponiert Szenen (gleich der Anfangschor «Sur la place chacun passe»), die der veristischen Ästhetik des zufälligen Ausschnitts gehorchen.

Bizet mildert nicht, wie seine Librettisten es wollten, das Provokatorische einer amour fou, die Don José desertieren und in Gesetz- und Haltlosigkeit abgleiten lässt. 1875 reagierte die Kritik böse auf die Urauffüh­rung des «obszönen» Werks, auf die «Kakophonie» der Musik. Das ist Geschichte. Gewöhnung und Ohrwürmer haben das Ihre getan. Eine provozierende «Car­men» ist heute fast nicht mehr vorstellbar.
Doch Abel, dem das engagierte und in zwei Jahrzehnten in der Qualität unglaublich gewachsene Opern­orchester der sardischen Hauptstadt willig folgt, tut mit harten Kontrasten, kantigen Rhythmen (fabelhaft das Quintett des zweiten Akts), mit Verzicht auf geschöntes Schwelgen das Seine, um diese Patina ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt September/Oktober 2005
Rubrik: Panorama, Seite 61
von Dietmar Polaczek

Vergriffen
Weitere Beiträge
Der Tod und die Sonnenblumen

Viel Euphorie beim Mittagessen. Zürichs Opernintendant Alexander Pereira sprach voller Freude und fast schon bewegt von der Übereinkunft, die er mit Franz Welser-Möst erzielt hat. Zunächst Chefdirigent, dann, als er zum Music Director des Cleveland Orchestra avancierte, nur noch «Principal Conductor», will der unterdessen Fünfundvierzigjährige österreichische...

Zu Unrecht vergessen

Rossini hat ihn, unwillentlich, sein ganzes Leben lang verfolgt und schließlich aus dem Gedächtnis der Nachwelt verdrängt. Heute ist Carlo Coccia (1782-1873) allenfalls noch eine Fußnote der Operngeschichte. Dabei war der aus Neapel stammende Schüler Giovanni Paisiellos eine Zeit lang außerordentlich erfolgreich. Seine 1815 in Venedig uraufgeführte «Clotilde» hielt...

Knäbische Alpträume, kriegerische Amouren

Im Jubiläumsjahr 2006 wollen die Salzburger Festspiele alle zweiundzwanzig Mozart-Opern szenisch aufführen. Die großen Stücke werden von den Festspielen selbst produziert. «Don Giovanni» und «La clemenza di Tito», von Martin Kusej inszeniert, liegen schon vor. In Herrmann-Inszenierungen existieren be­reits «Così fan tutte» und, noch aus der Mortier-Ära, «Idomeneo»....