Gounod: Faust
Die Welt der Wissenschaft ist ein Kerker: ein schachtartiges schwarzes Halbrund, das Doktor Faust von oben bis unten mit naturwissenschaftlichen Formeln vollgeschrieben hat. Die Welt tätigen Menschenlebens ist aber auch nicht viel besser: ein klinisch weißes Halbrund – ein Altenheim, wie sich herausstellt, eine jener Verwahranstalten, darin Menschen auf elementares Funktionieren reduziert werden. Gretchen ist hier angestellt, sie teilt Essen aus oder schrubbt die Böden. Beide, Faust und Gretchen, haben durchaus Grund, sich aus ihrem Leben fortzuwünschen.
Wollen sie aber deshalb gleich «jemand anders» sein, wie die Regisseurin Vera Nemirova im Programmheft formuliert? Geht es nicht, ganz im Gegenteil, um Selbstwerdung, um Selbsterkenntnis auch? Nemirova folgt der verbreiteten Ansicht, Gounod und seine Librettisten hätten Goethes Vorlage auf die Liebesgeschichte reduziert und Gretchen/Marguerite in den Mittelpunkt der Handlung gestellt. Und sie folgert, Marguerite sei eine «starke junge Frau», die «selbstbestimmt ihre Liebe leben will» und lediglich an den «Moralvorstellungen einer kleinbürgerlichen konservativen Gesellschaft» scheitere. Zeigen lässt sich das ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Am Ende stehen drei Kreuze: In lichtem Lohengrin’schen A-Dur, der in ihrem doppelten Symbolgehalt – sie steht zugleich für Golgatha und die heilige Trinität – wohl christlichsten aller Tonarten, verkündet der Chor am Ende von Walter Braunfels’ Jeanne d’Arc-Oper den Sieg des Glaubens. Die Befreierin Frankreichs ist zwar auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden, doch...
Sie sind zur Zeit gewissermaßen von Ihren Namensvettern umstellt: Vor Ihrem Partiedebüt mit dem Don Carlo di Vargas in «La forza del destino» im März an der Wiener Staatsoper sangen Sie im «Don Carlos» in Valencia den Rodrigo, Marchese di Posa: zwei ziemlich gegensätzliche Charaktere. Welcher der beiden ist Ihrem Herzen näher?
Haben Sie mehrere Kinder? Welches...
«Nijinskys Tagebuch für zwei Sänger, zwei Schauspieler, zwei Tänzer und Instrumente» nennt Detlev Glanert seine Auftragskomposition für das Theater Aachen: ein kaum kaschierter Hinweis darauf, dass ihn das Schicksal des historischen Nijinsky weniger interessiert. Auch nicht seine herausragende Stellung innerhalb der Ballets Russes des Serge Diaghilew. Es ist...