Gefallene Engel
Auch nach zweimaligen Lesen staunt man ungläubig: Die spielen das Stück tatsächlich dort. Im ehemaligen Augsburger Gaswerk, wo die Brecht-Bühne des Staatstheaters beheimatet ist. Normalerweise wäre das nicht weiter erwähnenswert, doch auf dem Spielplan steht «Das Tagebuch der Anne Frank». Und bevor das Kopfschütteln überhandnimmt, geht die Inszenierung von Nora Bussenius gleich offensiv mit dem Aufführungsort um. «Willkommen im Gaswerk, im Museum der letzten Dinge», tönt es vor Beginn aus Lautsprechern. «Die Türen zum Gaswerk werden jetzt geschlossen.
» Zurück bleiben das Publikum, ein Mini-Orchester und eine junge Frau in der Vitrine. Ein Ausstellungsstück, ferngerückt dadurch und doch so nah.
Ohnehin schwebte Grigori Frid in seiner 1977 uraufgeführten «Mono-Oper» keine lineare Nachzeichnung vor, auch keine tiefenscharfe Charakterisierung der Hauptfigur, was doch nur zur vergeblichen, peinlichen Identifikationsbemühung führen würde. Die 21 Kurzszenen umkreisen und reflektieren eher Anne Frank und ihre Zeit. Es sind Schlaglichter des Schreckens, aber auch des Skurrilen und des Burlesken: Das Mädchen in der Amsterdamer Prinsengracht 263 notierte schließlich nicht nur Dunkles. Frid ...
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Opernwelt April 2023
Rubrik: Im Focus, Seite 20
von Markus Thiel
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