Der stille Deserteur
Als Bub erlebte Friedrich Cerha, 1926 in Wien geboren, den Österreichischen Bürgerkrieg. Es war 1934, Cerha war acht Jahre alt; sein Vater führte ihn über die «Schauplätze» des Krieges. Bleibende Eindrücke. Möglicherweise entstand hier der Vorsatz, es selbst besser zu machen. Anders, klüger. In dieser Zeit erhielt das Kind längst Geigenunterricht, und schon bald komponierte der keine zehn Jahre alte Friedrich erste eigene Stücke. Mit 13 Jahren kamen Unterweisungen in Harmonielehre und Kontrapunkt dazu.
Doch dann wurde der gerade knapp Volljährige zur Wehrmacht eingezogen – und desertierte gleich zwei Mal. Cerha wurde mit dem Satz indoktriniert: «Du bist nichts, die Nation ist alles.» Die tumbe Aufgabe jedweder Individualität – in einen Satz gepackt; wie ein Befehl, die Barbarei zukünftig mit Vergnügen zur Tür hereinzulassen.
Aus der Verachtung für die einstig erlebten Auflösungsversuche in Sachen Individualität kristallisierte sich bei Cerha später ein kompositorisches Interesse für die Beleuchtung des Verhältnisses von Individuum und Masse heraus. So zoomt Cerha in seinem Bühnenstück «Netzwerk» aus dem Jahr 1981 – komponiert für das Theater an der Wien – immer wieder Klänge aus ...
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Opernwelt April 2023
Rubrik: Magazin, Seite 78
von Arno Lücker
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