Wandererfantasien
Die Herren kennen einander. Natürlich nicht persönlich, Franz Schubert starb bekanntlich 1828, als Ian Bostridges Vorfahren noch gar nicht wussten, dass sie dereinst einen namhaften Liedsänger in ihrer Familie haben würden. Als solcher ist Bostridge seit Langem international anerkannt, zumal auf dem Gebiet der Schubert-Exegese; nicht zuletzt sein Buch über den Komponisten und dessen «Winterreise» verraten veritable Kennerschaft.
Das setzt sich auch in jenen beiden CDs fort, die Bostridges Schubert-Erkundungen live aus der Londoner Wigmore Hall dokumentieren, wie gewohnt an der Seite des Pianisten Julius Drake, mit dem ihn eine lange musikalische Partnerschaft verbindet. Routine kann ermüdend wirken. Nicht aber bei diesem Gespann, das sich in den mitgeschnittenen Konzerten auf der Höhe der Schubert-Interpretation zeigt. Die Phrasen sind wohlgeformt und ausbalanciert, die Artikulation ist nobel, das gesungene Wort besitzt so viel Gewicht wie die «begleitenden» Klänge, die bei Drake eben weit mehr sind als samtene Teppichauslegekunst. Viele der Klaviervorspiele werden zum wegweisenden Initial für das Kommende, so – um nur ein prägnantes Beispiel zu nennen – die tapsenden Achtel zu ...
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Opernwelt Januar 2019
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 24
von Jürgen Otten
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