Freiheit, die wir meinen
Machen wir uns nichts vor: Die Welt, sei sie alles, was der Fall ist (wie Wittgenstein sagt), sei sie Inbegriff möglicher oder wirklicher Tatsachen, hat sich in den vergangenen zwölf Monaten radikal verändert. Die condition humaine zeigt sich in neuem Licht: trüber, trister, ja beinahe utopielos. Geblieben sind hingegen die Begriffe, mit denen Welt erfasst wird, sowie die aus ihnen resultierenden Diskurse.
Doch gerade in der jüngeren Vergangenheit haben Worte wie «Freiheit», «Moral», «Demokratie» oder «Diktatur» eine höhere Dringlichkeit und differenziertere Faktizität erhalten. Man könnte sagen: Sie wurden zugespitzt. Aber nicht unbedingt präzisiert. Denn viele der privaten und öffentlichen Debatten wurden mit einem solch hohen Maß an Emotionalität geführt, dass Sinn, Zweck und Ziele dieser Debatten in den Hintergrund traten. Nicht selten war da kaum mehr zu vernehmen als viel Lärm um nichts.
Es lohnt sich aus diesem Grund, wieder einmal zu den Schriften von Émile Durkheim zu greifen, insbesondere zu jener unter dem Titel «Physik der Sitten und des Rechts» publizierten Reihe von Vorlesungen, die Durkheim gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Bordeaux und Paris ...
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Opernwelt Februar 2021
Rubrik: Focus Spezial, Seite 4
von Jan Verheyen
Ach, was war das für eine Szene: herrlich! Lang ist’s her, aber unvergessen. Ein Abend im Vorfrühling 1994, die Premiere von Brechts Lehrstück «Der gute Mensch von Sezuan» an der Berliner Volksbühne. Als der Vorhang hochging, sahen wir da nur ein einsames, auf einer Stange drapiertes Mikrofon. Und dann, eine gefühlte Ewigkeit später, stand die Schauspielerin...
Herr Neef, sind Sie fantasiebegabt? Hätten Sie sich noch widrigere Begleitumstände für Ihren Amtsantritt ausmalen können?
Imagination zu besitzen, ist fast schon eine Überlebensbedingung in der gegenwärtigen Situation. Aber man kann sich nicht aussuchen, unter welchen Umständen man eine neue Arbeitsstelle antritt – zudem jeder Theaterleiter auf der Welt zurzeit...
Dezember 2009. «Inaugurazione» an der Mailänder Scala, die traditionelle Spielzeiteröffnung am Tag des Heiligen Ambrosius. Gespielt wird «Carmen» in großer Besetzung, mit Jonas Kaufmann, Erwin Schrott, Anita Rachvelishvili – und Daniel Barenboim am Pult. Regisseurin Emma Dante, eine Ikone des modernen italienischen Theaters, in der Oper aber Novizin, fordert den...