Enttäuschte Liebe

Mozart: Die Entführung aus dem Serail im Nationaltheater Mannheim

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Mozarts Türkenoper «Die Entführung aus dem Serail» zählt zu den Sorgenkindern des Kernrepertoires. Das Problem der Dialoge ist dabei noch älter als das heikle Thema der heute verpönten Orientklischees. Krummsäbel und Turbane bleiben seit langem im Schrank, und die meisten Aktualisierungsversuche ändern oder überschreiben Johann Gottlieb Stephanies Libretto. 

Luk Perceval begnügt sich in Mannheim damit nicht, sondern greift in seiner Inszenierung – sie war vor zwei Jahren schon in Genf zu sehen – radikal in die Substanz von Mozarts Singspiel ein.

Die Dialoge ersetzt er durch Reflexionen aus Asli Erdogans Roman «Der wundersame Mandarin», die darin ihre Erfahrungen als junge Physikerin in Genf verarbeitet. Vier der zentralen Figuren (Konstanze, Belmonte, Blondchen und Osmin) verdoppelt er durch Sprechparts, die als gealterte Alter Egos ihrer Figuren deren Tun reflektieren. 

Eine solche Verdoppelung ist nicht neu, Hans Neuenfels’ legendäre Stuttgarter Inszenierung hat das bereits 1998 vorexerziert. Aber Perceval geht viel weiter, er entfernt sich durch die neuen Texte, die bestenfalls assoziativ an Mozart anknüpfen, beinahe vollständig von der Erzählung. Zumal er auch die Figur des ...

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Opernwelt 8 2022
Rubrik: Panorama, Seite 50
von Regine Müller

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