Editorial Januar 2019
Am letzten Tag der Probenwoche im September, es ist schon spät, sagt Márta Kurtág einen Satz, der wie eine persönliche Bilanz klingt: «Für uns ist ‹Fin de partie› alles. Es geht da auch um unser Leben.» Das Leben mit György, ihrem Gatten und Gefährten seit mehr als sieben Jahrzehnten. Viel Zeit bleibt ihnen nicht: Der Komponist wird im Februar 93, die Pianistin ist 90. Die Kräfte schwinden, doch so lange die Fantasie noch glüht, die Gedanken fliegen, werden sie weiter Musik erfinden in ihrem Refugium unter dem Dach des Budapest Music Center, wo sie seit 2015 wohnen.
Ihr «Endspiel» fortschreiben, die Beckett-Oper, deren erste Fassung Mitte November in Mailand uraufgeführt wurde. Weiterstreiten, am Klavier fabulieren, schweigen, sich fragend anblicken, diskutieren über jeden Klang, bis sich alles richtig anfühlt. Frei gibt György Kurtág nur, was Márta abgesegnet hat. Von einer «symbiotischen Künstlerehe» spricht Markus Stenz. Takt für Takt hat der Dirigent die Partitur mit dem Komponisten und seiner Frau in Budapest durchgesprochen. Das im Teatro alla Scala erstmals vorgestellte Ergebnis – es ist auch das bewegende Zeugnis einer einzigartigen Gemeinschaftsarbeit (Seite 4).
Das ...
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Opernwelt Januar 2019
Rubrik: Editorial, Seite 1
von Jürgen Otten & Albrecht Thiemann
Ach ja, die Liebe. Eine haarige Angelegenheit, heute mehr denn je. Die allesverschlingenden Märkte haben auch diese schönste Hauptsache der Welt amalgamiert; Gefühle sind im Wesentlichen ersetzt durch Akkumulation von Kapital, welches sie, als materialistische Konstante, darstellen. Der Planet bevölkert von lauter entfremdeten Konsumaffen, deren einziges Bestreben...
Die Zeit. Ein «sonderbar Ding» sei sie, erkennt Feldmarschallin Fürstin Werdenberg. Sie taugt wohl auch als guter Leim, vermag sie doch zur sinnvollen Collage zu verkleben, was a priori nicht unbedingt füreinander geschaffen scheint. Unterschiedliche Lieder etwa wie auf den beiden hier verhandelten Alben. Deren Dramaturgie stellt über die Werke hinaus...
Das letzte Wort ist noch nicht gesungen. Etwas mehr als die Hälfte des Textes, der ihn seit einer gefühlten Ewigkeit umtreibt, hat György Kurtág nun «vertont». Aber natürlich ist er mit «Fin de partie» nicht fertig. Mit dieser stockenden, komischen, lakonisch atmenden Sprachmusik Samuel Becketts, der er 1957 in Paris erstmals begegnete, kurz nach der Uraufführung...