Der klare Blick
Mit der «Frau ohne Schatten» lieferte Strauss seine reichhaltigste Partitur ab. Charakteristisch sind vor allem das hypnotische Klarinetten-Schneiden des Falken und das abfallende Dreiton-Leitmotiv Keikobads – fast schon explizit textgewordenes Menetekel zu einer Handlung voller (Mit-)Leid: Die Tochter des Geisterkönigs wirft keinen Schatten, sprich, sie kann keine Kinder bekommen und erscheint als Geist nicht von dieser Welt wie ihr Gatte. Dass AJ Glueckert in der Kölner Inszenierung wie ein der Schubert’schen «Winterreise» verwandt Entwanderter klingt, passt dazu wunderbar.
Das kaiserlich-kinderlose Gespann steht in Hofmannsthals Libretto einem irdischen Paar gegenüber: Färber und Färberin. Die Amme als Vermittlerin und die Kaiserin selbst dringen in diese «reale» Welt ein, um der Färberin ihren Schatten abzuwerben. Gelingt dies binnen drei Tagen, droht der Kaiser zu «versteinen» – was die Stimme des Falken wiederholt, schon fast genüsslich-höhnisch dazu veranlasst, seine Drohung in gesungenes Insistieren zu überführen.
Diese dunkle Märchenhandlung, die dem Publikum qua Partitur Verflucht-Dämonisches wie Leidenschaftlich-Menschliches nahebringt, erscheint in der Sichtweise von ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Opernwelt November 2023
Rubrik: Panorama, Seite 49
von Arno Lücker
JUBILARE
Judith Forst wurde am 7. November 1943 im kanadischen New Westminster geboren. An der University of British Columbia studierte sie Gesang und feierte bereits 1968 ihr Debüt an der Metropolitan Opera als Page in Verdis «Rigoletto». Weitere Rollen an der «Met» waren unter anderem Tebaldo in Verdis «Don Carlo», Stéphano in Gounods «Roméo et Juliette»,...
Untot, tot oder doch nur totgesagt? Lange hat sich die Operette in den Spielplänen wacker gehalten, brachte Quote und lockte ein Publikum in das Theater, dem Oper zu schwer und das zeitgenössische Musical zu modern war – weil sie ein Bedürfnis nach Eskapismus stillte. Sie war Prototyp einer frühen Popkultur, sprach sogar lange eine jüngere Generation an. Doch die...
Salome, schönste Blume des Morgenlands? Nein, falsches Stück, falsches Genre. «Die alte Hur’ is net umzubringen», soll Robert Stolz über seinen (nach der Prinzessin benannten) «orientalischen Foxtrott» gesagt haben. In der Volksoper Wien aber steht nicht etwa irgendeine Stolz’sche «Salome»-Revue auf dem Programm, sondern Strauss’ seinerzeit skandalös-monströser...