«Dass wissend werde ein Weib»
Der Beginn gehört Brünnhilde allein. Leise, auf Zehenspitzen stiehlt sie sich im Dunkel der Nacht zwischen den vier turmhohen, fast schon leer geräumten Regalen einer in Auflösung begriffenen Bibliothek hindurch und beginnt zu lesen, noch bevor im Orchestergraben die Tiefen des Rheins überhaupt zu sprudeln beginnen und der urzeitliche Mahlstrom die ersten Leitmotive menschlichen Seins ans Licht spült.
«Dass wissend werde ein Weib» – der in einem Halbsatz des Schlussgesangs eher unauffällig eingestandene Erkenntnisprozess Brünnhildes ist der dramaturgische Angelpunkt des neuen, jetzt erstmals komplett gezeigten «Rings» an Kopenhagens Opernhaus. Das Publikum sieht über vier Abende lang das, was Brünnhilde lesend erfährt: die Entwicklung der Menschheit von den Goldenen Zwanzigern des «Rheingolds» über die Tristesse der vierziger Jahre in der «Walküre» und die jugendrebellischen Siebziger im «Siegfried» bis in die unmittelbare Gegenwart der «Götterdämmerung».
Die kurze Eingangsszene ist Teil einer mächtigen sinnstiftenden Klammer um die gesamte Tetralogie: Nach Siegfrieds Tod kehren Kopenhagens Opernchef Kasper Bech Holten und sein Dramaturg Hendrik Engelbrecht wieder zu ihrer ...
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