Blutrausch
Heroinen gibt es in der Opernwelt wie Sand am Meer. Vor allem das Barockzeitalter ist prall gefüllt mit ihnen, man denke nur an Dido und Deijanira, Armida und Alcina, Rodelinda und Clorinda. Doch nicht alle dieser leidenschaftlich mit ihrem Schicksal ringenden Frauen kennt man – und noch weniger einige ihrer Schöpfer. Über Louis-Antoine Dornel beispielsweise weiß man nur, dass er ein hochmögender Komponist war; welche Lebenswege er beschritt, liegt weitgehend im Dunkeln.
Umso schöner ist auch und gerade deswegen die Begegnung mit seinem Opus «Le Tombeau de Clorinde» aus dem Jahr 1723, einer (aus drei Rezitativen und drei Arien bestehenden) «Cantate à une voix et symphonie» auf Verse des Dichters Jean-Baptiste Rousseau, eines Zeitgenossen des weit berühmteren, jedoch nicht mit ihm verwandten Jean-Jacques Rousseau. Beklagt wird darin mit theatralem Gestus, flehentlicher Inbrunst und schmerzhaft schönen Tönen der Tod der schönen Clorinde. Doch damit nicht genug: Auf den tiefen Kummer, die «geheimen Qualen», folgt alsbald – untermalt von knackig phrasierenden, rhythmisch sehr prägnanten Streichern – der Aufruf zur Rache, zum furiosen Blutrausch.
In dem jungen französischen Bassbariton ...
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Opernwelt 2023
Rubrik: CDs, DVDs und Bücher, Seite 48
von Olga Myschkina
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