Blümchenbunt und grottendüster
Hochzeitsglocken in der Wiener Staatsoper! Das heißt, genau genommen ist weniger Geläut zu vernehmen als vielmehr die Mutter aller Ouvertüren – diese allerdings schon beim Eintreffen des Publikums und aus diversen Richtungen. Blech und Trommeln schmettern und knattern die «Toccata» von der Hauptstiege herab: jene Gonzaga-Fanfare, geschaffen für den Herzog von Mantua, die Claudio Monteverdis «L’Orfeo» eröffnet. Im Saal übernehmen Violinen aus der Proszeniumsloge, später auch Blockflöten.
Das Gesangsensemble flaniert in seinen, zwischen Lifeball und Flowerpower angesiedelten Fantasiekostümen durchs Parkett, begrüßt die Premierenbesucher als Hochzeitsgäste des Paares Orfeo und Euridice, posiert lächelnd für Selfies. Ganz am Ende, im improvisatorisch angereicherten Schlussakkord, wird die Fanfare nochmals ihr stolzes Haupt erheben – und La Musica, die den ansonsten original italienisch gegebenen Abend in ihrem Prolog überraschend auf Deutsch und Englisch eingeleitet hatte, verneigt sich stellvertretend für alle. Da hat Orfeo mit erstarrter Leidensmiene bereits sein Schicksal akzeptiert, das ihn als Witwer, zusammen mit der neuerlich leblosen Gattin, in den Himmel versetzt, sprich: ...
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Opernwelt 8 2022
Rubrik: Panorama, Seite 52
von Walter Weidringer
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