Blick zurück nach vorn

In Brüssel geht erstmals Philippe Boesmans’ neue Strindberg-Oper «Julie» über die Bühne, Kopenhagens neues Haus ist Podium für Poul Ruders’ «Proces Kafka»

Opernwelt - Logo

Die so genannte «Literaturoper» hat bekanntlich nicht den bes­ten Ruf.

Zwar bleibt der Bedeutungsumfang des viel gebrauchten Begriffs meist im Ungefähren: Taucht das Phänomen der Adap­tion etablierter literarischer Sujets erst mit Debussys «Pelléas et Mélisande» und Strauss’ «Salome» auf oder fallen, um nur ein früheres Beispiel zu nennen, schon Verdis «frei» nachgedichtete Schiller-Opern unter diese Kategorie? Gleichwohl ist ein bald unterschwelliges, bald offen artikuliertes Unbehagen an der Zweitverwertung bewährter Romane, Novellen oder Theaterstücke für die Opernbühne weit verbreitet. Wa­rum, so die entscheidende Frage, sollte ein poetischer Text, der für sich spricht, einer Vertonung bedürfen? Worin sollte der ästhetische Mehrwert einer Praxis bestehen, die eine Musikalisierung von Sprachkunstwerken betreibt, ohne dem Musiktheater wirklich neue Wege zu weisen? Fris­tet die «Literaturoper» nicht bloß eine parasitäre Exis­tenz? Hängt ihr Leben, ihre Ausstrahlung nicht allein von der Substanz der Vorgaben ab, die sie ausschlachtet, ohne diesen ein Eigenes, ein Unverwechselbares hinzuzufügen?
Um Missverständnissen vorzubeugen: Natürlich könnte man viele zeitgenössische ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Mai 2005
Rubrik: Im Focus, Seite 14
von Albrecht Thiemann

Vergriffen
Weitere Beiträge
Machtmaschine kontra Mensch

Der Zerfall des russisch-bolschewistischen Staatsgebildes, begleitet von bis heute nicht bewältigten Krisenphänomenen bis hin zu brutalen militärischen und terroristischen Aktionen, hat unseren Blick auch für künstlerische Reflexionen geschärft. Um bei der Oper zu bleiben: Als Herbert Wernicke in Salzburg für Mussorgskys «Boris Godunow» auf einem riesigen...

Aus dem Geist der Musik

Ihm und «La scintilla» galt der größte Beifall: Marc Minkowski und das Barockensemble der Oper Zürich waren zusammen mit fast durchweg in ihren Rollen debütierenden Sängern für diesen fesselnden Vier-Stunden-Abend entschieden mehr verantwortlich als Inszenierung, Bühne und Kostüme. Wann je – nicht einmal in Minkowskis eigener Aufnahme von Händels «Giulio Cesare in...

Klangrede

Köln hat einen neuen «Idomeneo» zum Hören. Weniger einen zum Hinsehen. Das hat zwei Gründe: Erstens ist Mozarts Oper ohnehin schwierig zu inszenieren; zweitens fällt Christoph Nel und seinem Bühnenbildner Jens Kilian nichts Nachhaltiges dazu ein, wie erstgenanntem Übel abzuhelfen wäre. Die Bühne auf der Bühne im ersten Akt klärt zwar die Fronten zwischen einer...