Bewusstseinsströme

«Septembersonate» von Manfred Trojahn

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ZUKUNFTSMUSIK

Das «unmögliche Kunstwerk» Oper lebt, allen Unkenrufen zum Trotz. Als Beleg mögen abseits der Pflege des kanonischen Repertoires auch und vor allem jene Stücke dienen, die sich mit der Tradition der Gattung auseinandersetzen, dabei aber neue Wege beschreiten. Um solche Werke des Musiktheaters soll es in dieser Rubrik gehen: um Uraufführungen, in denen neue Narrative kreiert werden und die Form selbst auf dem Prüfstand steht, zugleich aber auch jene Rezeption gefragt wird, die sich mit der Wiederholung überlieferter Deutungsmuster begnügt. Zu Wort kommen Komponistinnen und Komponisten, Dramaturginnen und Dramaturgen sowie Dirigentinnen und Dirigenten.

Aber darum geht es mir eben nicht, liebe Ellice!» – Mitten im Gespräch beginnt sie, die neue Oper des Komponisten Manfred Trojahn für die Deutsche Oper am Rhein. Mit einer Widerrede. Gegen eine eigene Aussage oder gegen ihre? Das bleibt links des Notenschlüssels verborgen, doch die Ich-Perspektive des Protagonisten Osbert Brydon ist gesetzt, erst in Takt 28 rückt sie wieder ins Bild.

Erst vor kurzem sind Ellice und Osbert einander wiederbegegnet.

Mehr als drei Jahrzehnte sind vergangen, in denen sie Schauspielerin wurde und in New York blieb und er nach Übersee ging und Autor wurde. Jahrzehnte, nachdem sie eine innig verbundene Kindheit und Jugend verbracht hatten, ohne jemals ein Paar zu werden. Der einstige Oberschichtenspross aus einer Kaufmannsfamilie mit diktierter Zukunft floh und ist zurückgekommen, um sein düster verwaistes Elternhaus zu verkaufen. Doch die alten Räume und Jugendträume stoßen verborgene Türen auf: Wer wäre er geworden, wenn er geblieben wäre? Und: Hätte sie diesen Gebliebenen geliebt? Aus einem Gedankenspiel entwickelt sich ein unheimlicher Showdown: In den dunklen Hallen seiner Kindheit begegnet Osbert Brydon dem, der er nach dem Willen seiner Familie ...

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Opernwelt Dezember 2023
Rubrik: Magazin, Seite 71
von

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