Aus der Ferne schwebt der Klang
Wie Ameisen auf der Haut fühlt sich diese Musik an. Ein fortwährendes Kribbeln, kaum zu lokalisieren zunächst. Dann plötzlich beißender Schmerz: jähe Präsenz und Wachheit. In «Written on Skin» entdeckt George Benjamin das Große im Kleinen, also braucht auch Otto Tausk am Pult keine wuchtige Geste: Oft sind es die scheinbar flüchtigen Momente, ein Vibrieren der Kontrabässe, ein Schweben des Fagotts, eine singende Bratsche, die entscheidend zum emotionalen Nachhall der Sankt Galler Neuproduktion beitragen.
Ein Herr gibt den Auftrag, das Buch seines Lebens zu illuminieren.
Die Frau fordert Realismus anstelle von Heroisierung. Und verliebt sich in den Buchkünstler. Der Mann ersticht den Knaben und zwingt die Frau, dessen Herz zu essen.
Aus der Ferne schwebt der Klang: Mirella Weingartens Bühne besteht aus zwei Spiegelflächen, aus Boden und Himmel, die schräg aufeinander zulaufen und den Blick aufs Orchester lenken: Als gut sichtbarer Motor und Mitspieler ist es im Hintergrund platziert. Es ist eine ausgesprochen kluge Bühne, und Andreas Volks Licht macht sie vollends wandelbar, bis hin zum scheinbar zufälligen Schattenspiel auf dem Sichtbeton des Theaterbaus.
«Written on Skin» ist eine ...
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Opernwelt Juli 2015
Rubrik: Panorama, Seite 46
von Clemens Prokop
Ein Rausschmiss ist das nicht, in Oslo. Aber schon ein starkes Stück. Per Boye Hansen, 2012 als operasjef an die Norske Opera geholt, soll 2017 das Bündel wieder schnüren, sein Vertrag wird nicht verlängert. Was in dem gleißend weißen Snøhetta-Bau genau vor sich geht, liegt im Dunkeln. Künstlerische Gründe für die Trennung werden nicht genannt. Auch wirtschaftlich...
Alte Schule
Mit Ideen, Botschaften, Bildern ist im Theater niemand zu gewinnen, wenn das Handwerk nicht stimmt. Dieser Maxime ist Harry Kupfer immer treu geblieben. Keiner prägte die Komische Oper in seiner Geburtsstadt Berlin nach Felsenstein stärker als er. Und nach wie vor ist der Meisterregisseur produktiv. Nun wird er 80. Ein Gespräch
Ziemlich handfest
Franz...
Ist’s nun eine Hommage an das realistische Musiktheater? Oder doch eher Bühnensymbolismus? Oder wird hier Büchners und Bergs harter Sozialrealismus mehr oder weniger mutwillig gegen den Strich gebürstet? Um es gleich zu sagen: Der «Wozzeck» an der Opéra de Dijon ist ein großer, ein großartiger Abend geworden. Weil die Regisseurin Sandrine Anglade, bekannt für ihre...
